Der Alchimist von Krumau
Magister Hezilow alles beneetigt. Kannen sich Fondor und Oblion auch gleich die Menschlein einsammeln, die Eurer Hilf bedirfen.«
Sie warf ihm nur einen raschen Blick zu, die Lippen zusammengekniffen, sodass die Falten um ihren Mund noch schärfer hervortraten, dann wandte sie sich wieder dem Medikus zu. »Könnt Ihr die ersten Anzeichen beschreiben, Senor? So viele Variationen der Sünde und der Verdammnis, so viele Spielarten der Pestilenz soll es auch geben. Sie alle sind gewiss nur leibliches Abbild sündig befleckter, vom Teufel zerfressener Seelen. Aber nicht alle diese Krankheiten beginnen mit schwarzen Flecken auf der Haut und enden mit zerbeultem Fleisch, gebt Ihr mir Recht?«
Die Frage schien Kasimir von Rosert zu verwirren. Er verlor ein gut Teil seiner prächtigen Farbe, knetete die Hände, sagte »Nun, gewiss« und verstummte wieder. »Wir haben’s hier«, sprach er endlich, »mit einer – hm – äußerst seltenen Spielart – ha, Spielart! – der Pestilenz zu tun.«
Er sprach so langsam und gezwungen, als ob er jede einzelne Silbe seinem Gewissen abringen müsste, was doch sicherlich, wie Julius dachte, nicht zutreffen konnte. Denn warum sollte den Medikus so hilfreiche Unterstützung beschweren?
»Und wie sind also die Zeichen, Medikus?«
Geradezu flehentlich schien Rosert die Waldstein nun anzusehen.
»Reiß er sich zusammen, Kasimir«, sagte Julius, »und nenn er endlich die Zeichen, sonst mach ich ihm Beulen.«
Kasimir von Rosert klappte den Mund auf, verschluckte sich und begann dröhnend zu husten.
»Stirzt sich diese Pestilenz«, sagte da rasch der Magister,
»überwiegend auf junge Leut von heechstens finf’nzwanzig Jährchen. Braust sich die Hitz in ihren Leibern, saust der Schwindel hinter ihren Stirnen, finden sich reetliche Flecken, zerfranst wie Haderfetzen oder rund wie Guldensticke, irgendwo auf ihren Keerpern, schmerzt ihnen gar noch’s Herz im jungen Bristchen, so ist’s sich fast schon gewiss, Madame: Sind diese Menschlein befallen von spezieller Pestilenz.«
»Dann ist’s beschlossen«, sprach Don Julius, während der Medikus hustete und Johanna dem Puppenmacher die heilige Schulter zeigte, »die Gehilfen des Magisters fahren übers Land, sammeln die Erkrankten ein und bringen sie zu Kasimir ins Hospiz.«
»Halten zu Gnaden, Exzellenz.« Der Puppenmacher buckelte zum Thron hin, eifrig seinen Beutel in den Händen drehend.
»Dirfte sich der Krankensaal unten in der Burg bald schon zu eng sein. Empfiehlt Hezilow dieserhalb, nur die Kranken aus der Stadt ins Hospiz zu bringen.«
»Und die andern«, forschte Julius, »die aus meinen Dörfern oder Meiereien?«
»Ins Rosenberger Kastell, Euer Liebden, dort kännen sich Hezilows Läjte mit Läjchtigkeit zwäjtes Hospiz einrichten.«
»In der Jagdruine?«, fragte Julius voller Erstaunen. »Na, meinethalben und für alle Fälle. In Euerm Krankensaal, Kasimir, könnte es in der Tat ein wenig eng werden.«
Damit erklärte er die Audienz für beendet und scheuchte sie alle aus dem Saal. Johannas Gegenwart missfiel ihm mindestens so sehr wie der drucksende Medikus, der erst wie eine Puppe »Mordio, die Pest!« rief und dann, wenn’s um die Zeichen derselben ging, herumzimperte wie die Jungfrau, die unter ihren Röcken eine Männerhand entdeckt.
Zur Hölle mit der Pest, dachte Julius, jetzt will ich Euch, Markéta, ich befehl’s.
71
»Die schwarzen Säfte gestockt«, zählte Sigmund Pichler auf,
»die gelben gerinnend, das rote Blut verklumpt: drei untrügliche Zeichen der Pest. Aber Silvan Brodner und die andern jungen Leut: Die hatten ja bloß Schnupfen, Markéta, und höchstens ein wenig Fieber, harmlose Folgen einer Bootspartie, die allerdings hätte ärger enden können.«
Das runde Gesicht des Baders bewölkte sich noch mehr. »Die Bootsfahrt selbst, mein ich, denn was dann kam, konnte schwerlich übler werden.«
»Aber Medikus von Rosert beteuert, dass die Pest …«
»Die Pest, die Pest!«, äffte Vater Sigmund sie nach, schreiend vor Zorn, aber auch, um das Kreischen von unten zu übertönen.
»Du kennst doch Silvan und seine Freunde: der Wirtsbub und sein Freund Mikal Odradek, dazu Dela und Dana, die Zwillingsmaiden des Seilers Habersack, ein blühendes Kleeblatt, keins von ihnen über siebzehn Jahre alt.«
Markéta hatte Mühe, sich auf die Worte des Baders zu konzentrieren. Unten in den Zubern brachen Hezilows Gesellen und die Henkershuren immer wieder in jaulenden Chorgesang aus, so
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