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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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die Ehre zu geben, Madame: In den zurückliegenden Monaten war ich nicht immer ganz sicher, ob ich noch Gelegenheit finden würde, diese Partie zu Ende zu führen. Aber ich bitte Euch, mir zu glauben, dass ich niemals aufgehört habe, unseren Sieg für möglich, ja für wahrscheinlich zu halten – la victoire pour les blancs.«
    Ihr Lächeln wirkte matt, kein Wunder nach den erlittenen Verlusten. Das Dasein einer Schachkönigin hatte sie sich gewiss weniger zehrend vorgestellt.
    Man schrieb den 27. Dezember 1607 A.D. den letzten Donnerstag des in den allerletzten Zügen liegenden Jahres. Die Welt vor d’Alemberts Fenstern war unter fingerdickem Eis versiegelt, das in der Wintersonne gleißte wie ein riesenhafter Spiegel. Und doch wissen wir beide, Markéta, dass diese Welt ganz etwas anderes ist.
    Seit er den Weihnachtsabend im Großen Saal verbracht hatte, fühlte sich d’Alembert überraschend gekräftigt. Im Stillen führte er diese Wiedererweckung seiner Lebensgeister auf den Anblick des Mumienknäbleins zurück, das während des ganzen Weihnachtsfestes vor ihm durch seine Welt aus Spiritus geschwebt war, doch er scheute sich, davon zu sprechen, so wie er auch niemals irgendwem von seiner Begegnung mit dem Bändiger Bandinello berichtet hatte.
    »Lasst uns methodisch vorgehen, Madame«, schlug er vor,
    »wie es einem guten Spieler geziemt.« Er richtete den Daumen seiner linken Hand auf und klopfte mit seinem Stöckchen dagegen. »Am Weihnachtsmittag ist der Bader Pichler verschwunden – im Hospizsaal, vor aller Augen, wie Ihr sagt.«
    Aufmerksam sah sie ihn an, ein wenig vorgebeugt in dem Fauteuil sitzend, das Pavel extra für sie vor den Kamin gerückt hatte.
    »Am Weihnachtsabend« – er hob den Zeigefinger – »ist der Nabellose abhanden gekommen, im Durchhaus, direkt von Eurer Seite, wie Ihr mir erklärt habt. Und die Rätselfrage lautet nun: Was hat diese vermeintlichen Wunder möglich gemacht? Da Ihr ja wohl so gut wie ich davon ausgeht, dass es sich nicht um wahrhaftige Wunder handelt, ungeachtet des Datums, das sich für übernatürliche Interventionen allerdings anbieten würde.«
    Tatsächlich fühlte er sich mit jedem Satz, jeder eleganten Formulierung besser, den schönen Künsten zurückgegeben, wie er sich im Überschwang sagte. Für einen Moment erwog er sogar, sich von seinem Sofa zu erheben und zwischen Tür und Fenster auf und ab zu gehen, was auf seinen Geist immer sehr ermunternd gewirkt hatte. Doch er tat besser daran, seine Kräfte noch zu schonen. Überdies hockten Fabrio und Lenka auf dem Teppich zu seinen Füßen und wandten keinen Blick von seinem Antlitz.
    »Aber ich fleh Euch an, Maître«, rief Markéta in seine Betrachtungen hinein, »sagt’s mir schnell und einfach, wenn Ihr’s wisst: Wo sind sie hin? Wo ist Vater Sigmund, wo Flor? Erzählt mir doch bitte nichts von echten oder falschen Wundern, ich verreck vor Angst und Schmerz!«
    D’Alembert setzte eine reuige Miene auf, doch seine Gedanken waren von den Wunden ihrer Seele weit entfernt.
    »Ich habe ihn einmal unterschätzt, Madame, ein Fehler mit weitreichenden Folgen, wie ich heute weiß. Ich habe zugelassen, dass er in mein Terrain eingedrungen ist, dass er meinen Geist behext hat mit Bildern seiner Welt und Wirklichkeit. Das darf nie wieder geschehen, und mehr noch: Um die Scharte auszuwetzen, müssen nun auch wir zu ihm hinüber, in sein Terrain und ihn blenden, wie er uns verblendet hat.«
    Ihre Augen öffneten sich weit und wurden im nächsten Moment zu blitzend grünen Schlitzen. Sie versteht kein Wort, dachte er.
    »Ihr meint, wir sollen« – wie schon einmal deutete sie abwärts – »hinunter zu ihm?«
    Still bat sie der Maître um Verzeihung. Auch Euch habe ich einmal unterschätzt, Madame, glücklicherweise mit weniger unheilvollen Folgen. Aber künftig will ich mich immer daran erinnern, dass Ihr eine Frau von fein verzweigter Herzensbildung seid.
    Er nickte. »Mit dem übernächsten Zug, Markéta; bitte noch einen Augenblick Geduld. Einen weiteren Fehler können wir – Ihr und ich – uns nicht erlauben.«
    Jetzt erst fiel ihm auf, dass er noch immer Daumen und Zeigefinger gespreizt hielt, das Stöckchen dazwischen wie der Pfeil auf straff gespanntem Bogen. Auch der Pfeil zielte abwärts, auf den verblassten Fleck in seinem Teppich, just zwischen den kalbsledern verhüllten Knien der Syrakuser.
    »In den Wochen und Monaten, als ich hier lag, Madame, hatte ich hinreichend Zeit, über die Pläne des

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