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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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gesegelt wäret, um dort Pyramiden niederzurennen, den Urwald zu roden, ein eigenes Reich zu begründen, wie es Don Julius wahrhaftig einmal ausgesonnen hatte. Selbst die Größe der benötigten Flotte hatte er schon berechnet und den Blutzoll, den er im Kampf gegen die kakaobraunen Verteidiger entrichten müsste. Doch dann verfielt Ihr, werter Charles, auf die weit glücklichere Idee, die Bestien seines Ehrgeizes mit der Herrschaft von Krumau einzuschläfern.
     
    Kein Abend, Monsieur, keine Nacht seit vielen Wochen, in denen der Schlaf nicht vor mir flöhe, weil meine Seele wie ein Heer von Burggespenstern um die Wahngemäuer meiner Ängste jagt. Ist Julius wohlauf? Kann Medikus von Rosert die Pestilenz niederwerfen? Wie ergeht es Euch selbst, mon ami? Wirkt sich der Einfluss, den die junge Markéta von Ludanice auf den Grafen nimmt, noch immer so besänftigend auf seinen Charakter aus?
    Ah, mir tut’s jede Woche weher, dass ich damals im Herbst nur ein paar abgerissene Worte mit ihr wechseln konnte, auf dem Burghof vor dem Tor zur »alchimistischen Unterwelt«, wie schon der selige Wilhelm die moderfeuchten Gewölbe nannte. Ruhelos lief sie im Hof auf und ab, hübsche, hochgewachsene, eigensinnig dreinblickende Person im Herbstzeitlosenkleid. Doch der »Nabellose« war gerade von ihrem Busen gerissen worden, auf Befehl des Grafen und zum Frommen des alchymischen Prozesses, das zehrte offenbar an ihrer Contenance. Ich redete sie an, – »ah, seine Mutter«, bekam ich zurück, mit einem Lächeln, das mich in die Tiefe ihrer Seele blicken ließ. Sie ist stark und gut, cher maître, leidenschaftliche Geliebte und treue Gefährtin, von kraftvollem Blut und feinem Gefühl, regsamem Gewissen und hellem Geist. Nun, das alles wisst Ihr besser als ich selbst. Und ob ihre Mutter, jene Bianca da Ludanice, nun eine Hochstaplerin war, wie Ihr einmal anklingen ließet, oder eine siebenbürgische Adlige von sieben Generationen hinabreichendem Stammbaum, darf und muss uns herzlich gleich sein, hoch geschätzter Charles, wenn Madame Markéta nur die magmatischen Tiefen des gräflichen Charakters unter den Hainen der Sanftheit und den Rabatten der Wohlanständigkeit begraben hält.
    Aber ich schweife ab, mon cher, mit niemandem ist tröstlicher zu plaudern als mit Euch.
    Auch der Majestät wird das Warten immer saurer, es ist aber keine tiefere Sorge um Julius. »Wenn nur die Krumauer Pest bald abgetan wäre«, sagt er wieder und wieder, »auf dass ich den Magister endlich zu mir ziehen kann.« Im Übrigen lobt er Euch und Euren Medikus in warmen Worten: »Eine Pestwoge, die in acht Wochen keine siebzig Untertanen frisst, das mach dem Franzosen und seinem Feuerkopf mal einer nach.«
    Warum nur kann ich nicht wie er empfinden? Warum will sich mein törichtes Mutterherz nicht beruhigen, warum pocht es wie ein kranker Vogel mir im Busen, wenn meine Gedanken nur ein wenig moldauabwärts schweifen?
    Lasst von Euch hören, Maître, ich flehe Euch an. Julius’ Gardisten, die in vorbildlicher Strenge die Grenzen der Grafschaft verriegelt halten, sollen Euren Brief an meinen Boten übergeben, der in der Poststation vor Vargasz Tag und Nacht Eurer heiß ersehnten Zeilen harrt. Schickt einer verzweifelten Mutter ein winziges Zeichen, um ihre Seele zu besänftigen, verehrter Freund, und wenn der Kampf gegen die Pest Eure Kräfte ganz und gar beansprucht, so werft einfach ein paar hastige Lettern aufs Papier: »Wohlauf!«
     
    Mit ergebensten, sehnsüchtigsten etc. etc. Katharina da Strada.
     
    Den 28. Dezember 1607 A.D. in der Burg zu Krumau Chère madame, gleich einem gleißenden Fixstern schwebt Ihr hoch über mir am Himmel, um mich zurück auf den Siegesweg zu zwingen, wann immer ich abzuirren drohe. Verzeiht, dass ich Euch so lange ohne Auskunft ließ, und bitte seht mir nach, dass ich auch diesen Brief an Euch nicht absenden werde: Ich muss schweigen, noch ein paar Augenblicke die Lage begrübeln, wie jeder meisterliche Schachspieler es tun soll vor dem großen Stoß.
     
    Oder habt Ihr jemals einen Virtuosen des Königsspiels rühmen gehört, der seinen Plan in allen Halb-und Winkelzügen vor den Augen des erfreuten Widersachers offen legte? Ich muss also schweigen, bald aber sollt Ihr von Krumau hören, so schallend, dass es Euch und der Majestät noch lange in den Ohren widerhallen wird.
    Sie haben mir alles genommen, Madame, Schlüssel-und Befehlsgewalt über Burg und Gesinde, Beamte und Garde, Boten und Späher.
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