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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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ihm auf Schulter und Hals. Er fühlte die warmen Tropfen und ein vages Erstaunen, dass jener Unselige vom letzten Mai und der gestrige Grabschänder Brüder waren. Und auf einmal fiel ihm wieder ein, was ihm damals durch den Kopf geschossen war, beim Anblick des Verunglückten unter seiner Kutsche: Schon wieder ein Toter; aber auch er soll nicht umsonst gestorben sein.

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    Zurück, zurück, wahrhaftig wieder dort, wo alles anfing. Nicht am selben Ort, vielleicht, aber alles ganz genau so eingerichtet, wie es damals war.
    Sonderbare Starre, die ihn überkommen hatte, seit er wieder in der Hand des Höllenmeisters war. Nackt bis auf ein rußiges Lumpenhemd, um den Hals ein grobes Lederband, daran hängend die Kette, die bei jedem Schritt erklirrte, so tappte er in Hezilows Unterwelt umher. Flor selbst hätte nicht sagen können, was er so rastlos suchte. Seine Beine, seine Augen fanden keine Ruhe, unablässig lief er im Gewölbe umher. Dabei fühlte er weder Angst noch Schmerzen, weder Hoffnung noch Kummer, seine Seele wie unter Eis erstarrt.
    Schau nur, schau, mein lieber Flor, alles wie damals.
    Der Ofen an der Wand, die Tische davor, er erkannte alles wieder. Auf Tischen und Regalen die vertrauten Tiegel, Flaschen, Gläser. Zwei Gehilfen, die vorm Ofen knieten und aus voller Kraft den Blasebalg traten, obwohl der Athanor längst wie eine Doppelsonne glühte. Und dort hinten, im finstersten Winkel, erklang auch wieder jenes Winseln und Fiepen.
    Welpen, warme, winzige Hundekinder, auch das Bild stellte sich gleich wieder ein. Dabei wusste er ja, dass keine Welpen, auch keine Kätzchen in den Gitterkästen hausten.
    Keine Tiere, lieber Flor, du weißt ja.
    Er war nicht allein, keinen Lidschlag lang, denn Markéta war bei ihm und redete in seinem Innern tröstlich auf ihn ein. Zur schwärzesten Weihnacht waren jene Hände aus dem Bodenloch gesprossen und hatten ihn in die Unterwelt hinabgerissen, derweil die Kutsche endlos durch den Tunnel getost war – und trotzdem war Markéta noch bei ihm.
    Sorg dich nicht, mein armer, lieber Flor.
    Und Flor tappte durch die Felsenräume, kaum beachtet von Hezilows Lumpenkerlen, die sich an Truhen und Särgen, Ballons und Becken, an Tiegeln und Pelikanen, Öfen und Zubern zu schaffen machten, die Metallblöcke zerfeilten und Holzklötze zerhackten, die Wurzelbrocken zersägten und Pflanzen häckselten, die in Töpfen rührten und Elixiere aus Flaschen schütteten, die Gläser schüttelten und fieberbunten Dampf entweichen ließen.
    Auch sie alle erkenn ich wieder, Markéta: Oblion, Fondor, Tákie.
    Manchmal sah einer von ihnen auf und versetzte ihm eine Backpfeife, wenn er vorüberklirrte, oder ein anderer riss an seiner Kette, dass es ihm die Kehle zusammenzog.
    Ruhig, ganz ruhig, lieber Flor, solange ich bei dir bin, soll dir nichts geschehen.
    Das stete, langsame Tropfen, dort ganz hinten, führte ihn zurück zum entlegensten Gemach. Alles wie damals, Markéta. Sieh nur, die riesigen Glaskugeln über den Becken voll glühender Kohlestücke. Und sieh nur, die Armen dort, über den Kristallballons aufgeknüpft, oder dort gar, wie furchtbar, das Kindlein im Glas.
    Wie es mich anschaut, mich anschaut, Markéta. Sieh nicht hin, mein lieber, kleiner Flor.
    Aber es ist am Leben, schau doch, es hockt in der brodelnden Brühe, Markéta, und seine Augen starren uns an. Sieh nicht hin, sieh nicht hin, mein armer Flor.
    Fügsam schweiften seine Augen ab, suchten wieder nach einem Pfad durch die glühende Kohle, zu den vergitterten Kästen hinter den Kristallballons, dem Quell jenes Winselns, Wimmerns, Fiepens. Und fand wie damals keinen Pfad, keine Lücke im Glutmeer, durch die sich hinüberschlüpfen ließe.
    Wie sonderbar, dabei haben sie uns da drüben auch bemerkt. Hörst du nicht, Markéta: Sie winseln und fiepen lauter, damit wir zu ihnen hinüberkommen, sie aus dem grässlichen Käfig befreien. Siehst du nicht: wie bleich ihre Haut, die im Dunkeln herüberblitzt, wie flehentlich der Glanz ihrer Augen?
    Komm jetzt, es ist nicht gut hier, lieber Flor.
    Nein, nicht gut, Markéta. Hörst du: das Rauschen und Schleifen in der Luft, siehst du: wie rot seine Augen dort droben im Finstern glühen? Das ist der Drach’, der alte Drach’! Ma-markéta, hilf, Markéta!
     
    Wie damals warf er sich flach zu Boden, die Beine angewinkelt, die Arme über den Kopf gelegt.
    Sieh dich um zu ihm, mein lieber Flor. Keine Angst, er hat dich nicht bemerkt.
    Ganz langsam hob er den Kopf, nur

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