Der Alchimist von Krumau
Zunftvorsteher, um sich vor ihrem neuen Herrn zu verbeugen.«
»Vortreffliche Vorsätze, Excellence«, lobte d’Alembert, »aber um sieben Uhr in der Frühe …«
»Gehen wir, Maître, Ihr werdet schon sehen!«
D’Alembert fand sich am Ellbogen gefasst und aus dem Salon gezogen, auch das war nie zuvor geschehen. Seit Jahr und Tag war er derjenige, der den Kaiserbastard antrieb, immer darauf gefasst, dass sich Julius mit der Wildheit eines Raubtiers zu entwinden suchte.
Schon nach wenigen Schritten war der Maître in seine Rolle zurückgeglitten. Er winkte einen Lakaien herbei und ordnete an, im Großen Saal für zwei Dutzend Personen aufzudecken, das engere gräfliche Gefolge aus den Betten zu scheuchen sowie im Audienzsaal die Fenster aufzureißen. Schließlich war er mit jeder Laune seines Schützlings seit bald zwei Jahrzehnten vertraut – nun, mit fast jeder; aber wieso Julius plötzlich danach lechzte, im Morgengrauen auf dem bisher so verabscheuten Grafenthron Platz zu nehmen, würde sich zweifellos sehr bald zeigen.
Während der Diener davoneilte, führte er den Kaisersohn durch die Flucht prachtvoller Salons, die sie seit Jahresanfang allesamt mit neuen Tapeten und Lüstern ausgestattet hatten, das Kristall nicht von den allerersten Glasschleifmeistern, aber doch aus böhmischen Manufakturen von untadeligem Ruf. Von sich aus würde Julius den Unterschied ohnehin nicht bemerken, sagte sich der Maître, wenn nur niemand aus seinem Gefolge, der spitzzüngige Maler da Biondo oder der allzu redselige Medikus von Rosert, auf die Idee kam, sich vor Julius’ Ohren nach dem Namen des Schleifmeisters zu erkundigen. Aber das galt mehr oder minder für alle Gegenstände, die er in Auftrag gegeben oder erhandelt hatte. Die erstklassigen Adressen, bei denen die Prager kaiserlichen Hofmeister einzukaufen pflegten, kamen für Burg Krumau schlichtweg nicht in Betracht, auch wenn er selbst und Katharina da Strada Ihrer Kaiserlichen Majestät eine stattliche Apanage abgelistet hatten: dreißigtausend Gulden aufs Jahr, dazu ein einmaliges Handgeld von zwanzigtausend Talern rheinischen Goldes. Ohnehin war der allergrößte Teil der riesenhaften Burg noch immer jämmerlich verwahrlost.
Kein Grund zu verzagen, munterte sich der Maître auf. Zumindest waren sie nun endlich in Krumau eingezogen, bald zwei Jahre, nachdem er und Katharina den Plan gefasst hatten, Rudolf die alte Rosenberger Herrschaft für seinen Bastardsohn abzuschmeicheln. Und kaum hatte er heute die Nachricht von der mütterlichen Mätresse erhalten, da schien Julius mit dem eben noch verhassten »Verbannungsort« auch schon auf wundersame Weise versöhnt. Doch diesem Stimmungsumschwung war keineswegs zu trauen.
»Seht dort, die Goldtapisserien, und da drüben, Excellence, eine Pariser Rarität …« Während sie eilends voranschritten, deutete d’Alembert mit seinem Stöckchen immer wieder auf Gemälde, Wandbehänge, Möbelstücke, die er in den letzten Monaten erhandelt hatte, dazu murmelte er Erläuterungen und ließ Julius keinen Moment lang aus den Augen.
Denn der Maître glaubte an Einbildungs-und Willenskraft, nicht an wundersame Wendungen. Und dass den seelischen Aufschwüngen seines Schützlings ebenso jähe Abstürze zu folgen pflegten, wusste er aus mannigfaltiger Erfahrung. Aber warum auch immer Julius sich so plötzlich mit Krumau zu arrangieren schien – er würde ihn mit aller Kraft in seinen Plänen bestärken, damit der kaiserliche Zorn sie nicht beide elendiglich verdarb.
10
Der Große Saal war ein Mirakel der Grotesken-und Trompe-l’œil-Malerei. Hinter Säulen und Hecken tummelten sich Satyrn und Nymphen in blankem Ergötzen, bronzene Jünglinge umschlangen einander zu attischem Wettstreit, Musikanten mit Lauten und Harfen spielten auf einer Lichtung für sinnenfrohe Dämonen zum Tanz auf.
Und dies alles war Illusion und Täuschung, getupft und gepinselt mit Ölen und Farben, dachte d’Alembert, aber wie meisterlich gemalt, wie wahrhaft göttlich vorgetäuscht. Er war auf der Schwelle stehen geblieben, eine Hand in der Armbeuge seines um anderthalb Häupter höher gewachsenen Schützlings, dem nichts anderes übrig blieb als gleichfalls in der Tür zu verharren. »Ein Ort der Glückseligkeit«, sagte d’Alembert und bemühte sich, seiner Stimme Wärme zu verleihen, »un paradis pour Vous, Excellence!«
Er sah Julius von der Seite her an, und für einen Moment schien es ihm, als wäre auch der Kaisersohn von diesem
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