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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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brach nun tatsächlich in Tränen aus.
    »Der aalte Drach’!«
    Stetig tropfte das Wasser in den Saal herab, und ebenso gleichförmig sprach der Puppenmacher auf Don Julius ein:
    »Leben, Euer Liebden, ist sich nichts als einbalsamierte Mumia, die den sterblichen Keerper vor Fäulnis bewahrt, mit Hilfe einer Salzleesung, deren Formula sich offenes Buch für Hezilow ist.«
    »So könnt Ihr wahrhaftig Kreaturen formen«, fragte Don Julius, »aus Lehm und Dreck – wie ein zweiter Gott?«
    »Keerper ist sich malum ac putridum, Euer Liebden, beese und faulig. Sein Bestreben ist es nur, zu verfaulen und sich wieder in Kot zu verwandeln. Philosophischer Kinstler kann der Mumia während der Fäulnis ihre Lebensessenz entziehen – den heiligen Aquaster, Euer Gnaden, aus dem Hezilow Euch flugs das monstrum hermaphroditum destillieret – das Retortensöhnchen, auch als Homunkel bekannt.«
    »Mo-monstrum«, flüsterte Flor, »Homu-munkel!«
    Don Julius’ Hände lagen noch immer auf Markétas Hüften, braun und lauernd wie zwei kräftige kleine Tiere.
    »Dämpfe steigen auf, das Destillat läuft zurück im Pelikan.«

DREI – DESTILLATIO
     
     

  26
     
     
    Über Krumau goss es aus allen Himmelsschleusen, dass man die Moldau bis in die Burg herauf gurgeln hörte, und Don Julius war in allerbester Stimmung. Eben hatte die Glocke unten im Städtchen achtmal geschlagen – oder vielleicht auch sieben-oder neunmal, was scherte es ihn? Wollüstig wälzte er sich in den Seidenpfühlen des gräflichen Paradebettes, das von einem dunkelblauen Samthimmel überspannt wurde und wenigstens drei auf drei Meter maß.
    Ah, die väterliche Majestät wird Augen machen, dachte er, wenn erst nach Prag vermeldet wird, dass hier auf Krumau Dreck in Gold verwandelt worden ist – unter der Regentschaft Eures Sohnes, allerherrlichster Herr! Laut Hezilow war die Transformatio für einen Erleuchteten seines Grades »ganz geringfiegiges Kunststick, Euer Gnaden« – und wie käm ich dazu, an seinen Worten zu zweifeln, dachte Julius, Mariandls Astrolog hat mir ja alles aufs Haar genau so vorausgesagt. Die geschaffene Kreatur und den erleuchteten Magister, die gleich nach seiner Ankunft auf Burg Rosenberg erscheinen würden; Ströme funkelnden Goldes und geschaffener Bälger, die bald schon aus dem Gewölbe unter der Burg hervorquellen würden …
    Julius reckte sich nach der Messingglocke, die an einem burgunderroten Strang vom Himmel hing, und läutete ungestüm. Einen Herzschlag drauf erschien sein persönlicher Kammerdiener, den er stets nur Robert nannte, nach dem Vertrauten seines kaiserlichen Vaters zu Prag.
    »Ich hab einen Hunger wie ein Bär, Berti!«, rief ihm Julius entgegen und rieb sich den Bauch unter seinem Nachthemd, das mit dem Rosenberg’schen Wappen in Rot und Silber bestickt war. »Apropos Bär – wir brauchen Braunbären für den Burggraben, ganz so, wie’s früher bei Wilhelm war. Sag d’Alembert, er soll sich drum kümmern, ja?«
    »Wie Ihr befehlt, Exzellenz.«
      Ah, cher maître, ich werd dir zeigen, wer fortan das Stöckchen in der Hand hält. Mit heiterem Lächeln sah er zu, wie der junge Robert von Fenster zu Fenster ging und die schweren Samtvorhänge aufzog. Draußen rauschte noch immer der Regen, und der Himmel war von der Farbe alten Bleis. Plumbum! Hezilow hatte gestern gleich zehn Fässer voll bestellt, außerdem Schwefel und Kalk, allerlei Säuren und Salze sowie Himmelskraut, bei Vollmond zu pflücken, dazu zweihundert lebendige Zitterlinge, die abstoßendsten Pilzgewächse auf Erden. Der Gallert des Zitterlings, tremella nestoc, so der Puppenmacher, beschleunigte die Fäulnis, aus der das alchimistische Gold emporblühen würde.
    Alles, alles, was er will, soll er bekommen, sagte sich Julius, Metalle und Pulver, Truhen voller Geld und Kutschen voller Gehilfen – wenn er nur geschwind seine magische Kraft beweist und mir im Triumph zurück nach Prag hilft! Er warf die Polster zurück und wälzte sich seitwärts aus dem Bett. Robert sprang gleich herbei, um ihm den Nachttopf mit dem gräflichen Wappen zu reichen, und Julius zog sich das Schlafhemd bis zum Nabel hoch und sah voller Behagen zu, wie der zitronengelbe Strahl in die Schüssel schäumte.
    »Was wünschen Eure Exzellenz heut zu speisen?« Mit seinem runden Böhmengesicht, den semmelblonden, scharf gescheitelten Haaren und dem Knödelbäuchlein unter der blauen Uniform sah Robert wie eine verjüngte Kopie des väterlichen Kammerdieners aus, des

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