Der Alchimist von Krumau
dass er sich sputete, seinen Finger in Sicherheit zu bringen. »Du würdest dich nicht scheuen, mir ein Glied abzubeißen, wie?«
Sie kaute nur hingebungsvoll, ohne ihn aus dem Blick zu lassen. Der Glanz ihrer Augen und ihre gelöste Miene verrieten, dass sie an diesem Spiel Gefallen fand – so wie auch Julius selbst, der nie zuvor so umschweifig mit einer Maid getändelt hatte.
Markéta brach sich einen weiteren Happen vom Kapaun, kaute wieder genüsslich und leckte sich endlich die vor Fett glänzenden Finger. »Seht Ihr mir nur beim Essen zu – oder
nehmt Ihr auch selbst etwas?«
»Ich warte«, sagte er und schaute sie wieder aufmerksam an.
»Warten – worauf denn?«
Anstelle einer Antwort schob er seinen Zeigefinger in die Höhlung des Kapauns und fischte ein wenig von der Kastanienpaste heraus. Ohne den Blick von Markéta zu wenden, führte er seinen Finger wiederum vor ihre Nase und wedelte damit hin und her. »Darauf, dass du ihn abschleckst«, sagte er,
»bevor du auch mich etwas kosten lässt – am besten diese saftige Beere.« Und er deutete auf die Rebe voll blutroter Trauben, die auf der feuchten Silberschale prangten, neben Markétas Hüfte, über der sich das schlammbraune Samtkleid spannte.
27
Der Marzipanstab war mit einer dicken Schokoladenschicht überzogen, und auf mysteriöse Weise hatte Don Julius sie dazu gebracht, den süßen Stab gemeinsam mit ihm auszusaugen. Auf dem gräflichen Lager kniend, die Köpfe einander zugeneigt, balancierten sie ihn zwischen ihren Mündern, während sie mit Lippen und Zungen, jeder von seiner Seite, den zarten Schmelz hervorsogen und -leckten. Julius selbst ist ja ein Zauberer, wozu braucht er da den scheußlichen Hezilow?, dachte Markéta, die sich ein wenig benommen fühlte, nicht nur des Burgunders wegen.
Draußen hatte es aufgehört zu regnen, vor den Fenstern sengte die Sonne die letzten Wolkenreste vom Himmel über den Moldau-Auen, doch Markéta nahm es bloß am Rande wahr. Ihr derzeitiger Himmel war aus blauem Samt, von dem an einem roten Strang ein Messingglöckchen hing, ihre Aue ein schwankendes Geviert voll schwellender Seidenpolster. Anstelle der Moldau zogen sich Rinnsale aus Burgunder und Bratensauce durch die Leinenhaine, und die über alledem scheinende Sonne war das Antlitz eines jungen Gottes mit zerzaustem Haar und haselbraunen Augen, die unverwandt ihren Blick festhielten, funkelnd vor Leidenschaft. Atemlos sogen sie beide am sämigen Marzipanschmelz, und Markéta stellte sich eben vor, was sie mit dem fertig ausgehöhlten Schokoladenrohr anfangen könnten, als mit einem Mal an die Tür gepocht wurde.
»Nicht jetzt, Berti!«, rief Julius undeutlich, wobei der Marzipanstab zwischen ihren Mündern bedenklich zuckte.
»Der Maître!«, hörte Markéta den Kammerdiener antworten,
»er besteht drauf, mit Euch zu sprechen, Exzellenz – wegen des Puppenmachers!«
»Hezilow!« Julius schrie den ihr verhassten Namen heraus, so schallend, dass Markéta zurückfuhr und der süße Stab ins rot verfleckte Laken zwischen ihren Knien fiel. »Worum geht’s, mon cher maître?«, fragte Julius in verändertem Tonfall.
»Um die Männer Eures Magisters, Excellence.« Charles d’Alembert stand bereits auf der Schwelle, von verkniffener Eleganz wie stets.
»Jetzt nicht«, brummte Julius wieder, Lippen und Kinn mit Schokolade verschmiert; offenbar traut er sich kaum, auch nur die Stimme gegen seinen Maître zu erheben, dachte Markéta erstaunt.
D’Alembert wandte sich nun direkt an sie, die sich mit hastiger Hand den süßen Schmelz vom Mund wischte. »Lasst uns einen Augenblick allein – s’il vous plaît, madame.«
»Madame Markéta bleibt.« Mit trotziger Miene sah Julius zum Maître hinüber. »Ich hab keine Geheimnisse vor ihr – im Gegenteil.«
Wie sollte sie sich jetzt nur verhalten? Unsicher blickte Markéta von Don Julius zu d’Alembert, der im Türrahmen erstarrt schien. Julius macht sich lustig über mich, dachte sie, anders kann’s ja nicht sein! Keine Geheimnisse – vor mir?
Auf einmal wurde ihr bewusst, dass sie noch immer in seinem Himmelbett kauerte, und das Blut schoss ihr ins Gesicht. Rasch schwang sie ihre Beine seitlich heraus; da erst dämmerte ihr, warum der Maître anscheinend so beunruhigt war. »Die Männer des Magisters?«, wiederholte sie, barfüßig auf den Teppich springend. »Wen meint Ihr damit, Monsieur d’Alembert?«
»Hezilows Gehilfen, ein halbes Dutzend.« Der Maître ließ Julius
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