Der Alchimist von Krumau
Sorge, ich bin Heiler«, wollte er beschwichtigen, als Flor sich seinem Griff zu entwinden suchte. »So nimm doch Vernunft an«, keuchte der Vater, der in seinen Witwerjahren immer beleibter geworden war.
»Wir müssen dich verwahren, bis der Rat von Krumau beschlossen hat, was mit dir geschehen soll!«
Flor stieß kleine Schreie aus, presste sich plötzlich eine Hand vor den Bauch und sackte zu Boden.
»Was hast du gemacht, Vater?«, rief Markéta aus, über sich selbst kaum weniger erschrocken als über den zarten Fremdling, der schon wieder reglos vor ihr lag. Gewöhnlich galt sie als die Besonnenheit in Person. Mehr als einen Tumult in der Schwitzstube, bei dem die nackten Streithähne schon mit Fäusten und Holzprügeln aufeinander losgehen wollten, hatte sie durch kaltblütiges Eingreifen erstickt. Heute aber wurde sie sich selbst mit jedem Augenblick fremder.
Sie kauerte sich neben Flor auf den Boden, dann jedoch wagte sie kaum, auch nur seine Schulter zu berühren. Vater Sigmund, im Schlafgewand wie sie selbst, hatte sich unterdessen zu Flors linker Seite auf ein Knie niedergelassen und streifte dem Fremden, wie verbissen der sich auch wehrte, das Lumpenhemd vom mageren Leib.
Anstelle einer Bauchverletzung, wie der Bader es befürchtet haben mochte, kam etwas Unerhörtes zum Vorschein. Wie von einem fremden Willen angezogen, näherte sich Markétas Hand dem glatten Leib. Es war keine Augentäuschung und konnte doch gewiss nicht sein: Der Bauch des knäbischen Elfen war so muldenlos heil, als wäre Flor nicht von dieser Welt.
Nicht von dieser Welt … Das Echo ihres eigenen Gedankens hallte in ihrem Kopf und vermengte sich mit ihrem Traum. Und wenn er wahrhaftig ein Bote der Mutter ist, gesandt aus jener Nebelwelt? Angespannt sah Markéta zum Vater hinüber, dabei mit einem Auge weiter auf den Fremden hinunterspähend, der zwischen ihnen am Boden lag, mit allzu glattem Bauch. Als Baderstochter hatte sie schon viele entstellte Leiber gesehen, Verwachsungen, Gebreste aller Art. Aber das hier – es war ärger, allerdings auch betörender als alles, was sie je gesehen und angerührt hatte. Sie konnte gar nicht hinschauen, ohne dass der Boden unter ihr zu schwanken, die Luft über Flor zu flimmern schien. Ein Bote, hallte es wieder in ihr, von der Mutter, nicht von dieser Welt. Wahrhaftig stellten sich ihr die Nackenhaare auf, wenn sie daran dachte, wie sie mit ihren Fingern über seine schaurig glatte Haut gefahren war.
Unfug!, schalt sie sich gleich darauf. Don Julius hat dir wohl den Kopf verdreht, Mädchen, oder wo sonst kommen die krausen Gedanken her? In ihrem Bauch begann es zu kribbeln, sehr beunruhigend und höchst angenehm.
»Teufelsbrut«, hörte sie den Vater murmeln – »den Kerl hat der Satan geschickt!« Und er zog einen Dolch unter der Ofenbank hervor, um den Nabellosen in Schach zu halten.
»Geh, Markéta, hol die Wächter zurück«, ordnete er an. »Sie sollen den Wechselbalg zusammenschnüren und in den Stadtkerker werfen. Mag der Rat von Krumau entscheiden, was mit der Bestie geschehen soll.«
»Be-bestie!«
In Markétas Kopf begannen die Gedanken zu wirbeln. »Und wenn er« – sie musste sich erst die Kehle freiräuspern – »wenn er dem neuen Grafen gehört?« Das Kribbeln in ihrem Bauch wurde stärker, und die Hitze kroch ihr ins Gesicht. »Sollten wir Flor nicht besser raufbringen zur Burg?«
Argwöhnisch sah der Vater sie an, sonderbar schuldbewusst, wie Markéta auf einmal dachte, aber auch das konnte ja nicht sein. »Ein kluger Gedanke, Kind«, murmelte er und wich ihrem Blick aus, »die großen Herren vergnügen sich mit sonderbarem Spielwerk, wie es heißt. Ja, du hast wohl Recht, Markéta: Don Julius wird sich dankbar zeigen, wenn er sein Besitztum von mir zurückerhält.«
Warum nur drückte der Vater sich auf einmal so gestelzt aus? Und wieso um alles in der Welt vermied er’s immer noch, ihr ins Gesicht zu sehen? Das wirkte ja fast so, als ob er sich schämte, aber weshalb nur? Dabei müsste höchstens ich mich schämen, dachte Markéta, weil ich seit zwei Tagen immer nur ihn vor mir seh, den jungen Herrn Grafen, seine braunen Augen, den zuckenden Mund! Der Vater dagegen wollte ja nur das alte Versprechen erfüllen, wie er’s der Mutter zu ihren Lebzeiten wohl hundertmal gelobt hatte und noch einmal an ihrem Grab: Alles würde er daransetzen, um Markéta eine ehrbare Stellung auf der Burg zu ertrotzen, so wie es ihnen schon einmal geglückt war, vor
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