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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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welchen Gott und welche Majestät.
    Markéta hörte kaum auf ihre einfältigen Reden, gebannt sah sie den Jüngling an, der etwa in ihrem Alter sein mochte, zwanzig oder ein wenig drunter. Ein Fremder, kein Zweifel, jedenfalls sah hier in Krumau niemand aus wie er: von so zarter Gestalt, das Gesicht fein geschnitten und blass zwischen Haaren wie Goldgefädel.
    Derweil schwadronierten die Büttel noch immer, dass ihnen der Kinnspeck in den Stehkragen bebte: Wenn der Teufel es wolle und das Bürschlein ihnen unter den Händen wegstürbe, stünden am Ende noch sie als Übeltäter da. Also hätten sie beschlossen, den Ohnmächtigen kurzerhand über die Brücke zu schleppen, da der Vater der löblichen Maid, Sigmund Pichler, ein Heiler von respektablem Ruf sei.
    Der Ältere der beiden packte den Burschen beim Goldschopf und zog seinen Kopf empor. Da hoben sich die Lider des Fremden, und er sah Markéta an, aus zweierlei Augen.
    »Bringt ihn herein. Aber Obacht!« Sie schob Riegel zurück, zog einen Torflügel auf und scheuchte die Büttel hindurch. Der Fremde hatte Augen in zwei verschiedenen Farben, das linke bernsteingelb, das rechte dunkelgrün wie Moos.
    Was, wenn er ein Bote aus dem Jenseits ist, durchfuhr’s Markéta, von Mutter Bianca ausgesandt? Im Traum versuchte die Mutter immer wieder, ihr eine Botschaft zuzuschreien, aber wie sie sich auch mühte, Markéta vernahm stets nur ein Rauschen und Raunen, als ob Bianca durch ein dickes Vlies aus Nebel spräche. Unsinn, dachte sie gleich darauf, wie sollte der Bursche denn aus ihrer Geisterwelt herüberkrauchen, in der allem Anschein nach nur Seelen in einem Meer aus Nebel trieben?
    Die Wächter trugen den Fremdling in die Badestube und setzten ihn auf die Bank vorm Kachelofen, wo er wie ein Lumpensack hocken blieb, den Goldschopf auf die Brust gesenkt.
    »Ich ruf den Bader, Ihr passt auf ihn auf.« Das Nachtgewand überm Busen raffend, eilte Markéta mit polternden Pantinen die
    Stiege wieder hinauf und zur Schlafkammer der Eltern, wo der Vater seit vier Jahren allein im viel zu breiten Ehebett schlief.
     
    »Du hast geträumt, Kind«, knurrte Sigmund Pichler, indem er sich mit flacher Hand über den Trommelbauch rieb, »und wegen solcher Hirngespinste weckst du mich auf?«
    Keine fünf Minuten hatte es gedauert, bis Markéta wieder in der Badestube war, den brummigen Bader im Schlepptau. Doch die Wächter hatten die Frist genutzt, um sich davonzumachen, und auch von dem elfenhaften Fremden war nichts mehr zu sehen.
    »Geträumt hab ich auch – aber von Mutter Bianca.« Sie lief von Zuber zu Zuber, die gedrängt auf dem stumpf gescheuerten Kachelboden standen, dazwischen Pfützen und Schatten, aber nicht der matteste Schimmer Gold. »Du weißt schon, Vater – wieder der alte Traum, in dem sie mir was zurufen will, aber ich versteh kein Wort. – Ah, da ist der Bursche ja.« Sie deutete auf die Nische neben dem Ofen, aus der es golden hervorglänzte wie ein Bündel Sonnenstrahlen.
    Der Bader, plötzlich hellwach, befahl dem Fremden, hinterm Ofen hervorzukommen. »Wie heißt du, Kerl?«
    Zögernd kroch der Goldhaarige aus seinem Winkel heraus. Tropfen fielen aus seinen Haaren und rollten ihm übers Gesicht.
    »Ha-heiße … Flor.«
    Eine Stimme, rau und schwankend wie ein Nebelhauch. Und ein Name wie für Uferkraut, dachte Markéta, der ein Schauer über den Rücken lief. Mitleid, Grauen, Anziehung – all das fühlte sie für den seltsamen Fremden und begriff sich selber kaum: Sie kannte ihn ja gar nicht, und mit seinen schmalen Schultern, den bunten Lumpen, dem wirren Haar, dem zweifarbigen Augenpaar sah er alles andere als anheimelnd aus. Ganz im Gegensatz zu dem hochgewachsenen jungen Herrn, der vor zwei Tagen ihre Hand gedrückt hatte, als ob er sie nie wieder loslassen wollte.
    Wo er herkomme? Was er in Krumau verloren habe? Warum er so tropfnass sei? Durch ganze Salven von Fragen versuchte Sigmund Pichler den Fremden zum Sprechen zu bringen. Ob er sich erinnere, was ihm vor seiner Ohnmacht geschehen sei? »Du bist wohl mit einem Boot gekentert und in den Fluss gefallen?«
    »Im Wa-wasser, ja …«, stimmte Flor mit heiserem Flüstern zu, seine Augen zu Schlitzen verengt, einer bernsteingelb, einer grün wie dunkles Moos. Markéta konnte den Blick nicht von ihm wenden, und auch Flor schaute immer wieder verstohlen zu ihr her.
    »Lass dich ansehen. Ob du dir auch nichts getan hast.« Der Bader machte einen Schritt nach vorn und packte ihn am Arm.
    »Keine

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