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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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beinahe sechs Jahren. Doch kaum hatte sie damals den Blaukittel einer gräflichen Kuchelmagd übergestreift, da war Wilhelm von Rosenberg, der alte Graf, ins Paradies gefahren. Nun aber witterte der Vater wohl eine neue Chance, und sein schlechtes Gewissen musste von den Gerüchten herrühren, die überall in Krumau umherschwirrten. Aber wie konnte Don Julius ein grausamer Tyrann und unwürdiger Nachfolger des alten Wilhelm sein, wie so viele boshafte Zungen behaupteten? Schließlich hatte sie selbst miterlebt, wie sehr der Unfalltod des unseligen Totengräbers den jungen Grafen bekümmerte.
    »Also auf«, entschied der Bader, »zieh dein Sonntagskleid an und wirf dem Burschen einen Umhang über, dann bringen wir ihn geschwind zur Burg hinauf.« Noch ehe Markéta auch nur nicken konnte, erklangen Schritte draußen im Durchhaus. »Die Büttel!«, flüsterte der Vater, riss mit unheimlicher Behändigkeit die Falltür zu seinen Füßen auf und stieß Flor in den Keller unter der Badestube.
    Einen Atemzug später traten nicht etwa die Wächter, sondern der Russe Jurij Hezilow ein, zweifellos der zwielichtigste unter den vielen Fremden, dachte Markéta, die sich seit Wochen in Krumau herumtrieben und wie Kröten im Herbst zu vermehren schienen.
    Gütiger Gott, betete sie im Stillen, bitte mach, dass Flor nicht zu diesem da gehört.

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    »Nun, Mäjster Bottich, will er mir heute nicht geheerig einhäjzen?«
    Jurij Hezilow, Moskowiter Puppenmacher zweifelhaften Geblütes, bediente sich eines absonderlich schnurrenden Idioms. Meister klang bei ihm wie Mäjster, statt gehörig sagte er geheerrrich, und ohnehin rollte er jedes unschuldige R so lange hin und her, als ob er’s in seine spitze, überbewegliche Zunge einwickeln wollte. »Dabei wäjß er doch, wie sehr Hezilow und seine Puppen die Hellenhitz lieben?«
    Pichler richtete sich auf, verneigte sich mit der gleichen Bewegung und drückte mit der Fußspitze die Falltür in ihren Rahmen zurück. Derweil zog Markéta einen Putzlumpen hinterm Ofen hervor, ging neben dem Vater in die Knie und begann den Kachelboden abzureiben, ohne einen Blick oder gar einen Gruß für Hezilow.
    »Oder glaubt er womeeglich, der Anblick seiner hibschen Tochter tät geniegen, um Hezilow den Frost aus dem Läjb zu träjben?«
    »Nur einen winzigen Moment noch, Hochwohlgeboren«, brummte der Vater und sputete sich, den frühen Gast zu seinem angestammten Zuber zu geleiten, »Allerhöchstens ein klitzekleines Augenblickchen, edler Herr.« Noch immer im Nachtgewand, begann er Bottiche heißen Wassers herbeizuschleppen, wobei ihm der Schweiß über Stirn und Wangen perlte und seinem Mund ein Strom beschwichtigender Silben entquoll.
    Die Arme vor der schmalen Brust verschränkt, lehnte der Puppenmacher an der Wand neben dem Zuber, den Pichler mit siedendem Wasser füllte, und sah sich ein ums andere Mal in der Badestube um. Sein Gebaren wirkte auf Markéta so verdruckst wie herausfordernd, aber als sie sich mit dem Vater durch einen raschen Blick verständigen wollte, schüttelte der nur den Kopf und wandte sich ab.
    Im Unterschied zu ihr schätzte Sigmund Pichler den kleinen Russen – oder zumindest die Silberstücke, die Hezilow so leicht aus dem Beutel rollten wie die hinterfotzigen Reden aus seinem weibisch geformten Mund.
    Im Augenwinkel beobachtete Markéta, wie Hezilow seinen Gürtel mit dem lachhaft großen Schwert abschnallte und zu Boden gleiten ließ, ehe er sich aus seiner schmierigen Tracht zu nesteln begann. Mit dem engen schwarzen Wams nach spanischer Mode, den gleichfalls tintenschwarzen, knapp geschnittenen Hosen und dem unförmigen Umhang, der ihm bis weit über den Gürtel reichte, ähnelte das schmächtige Männchen wahrhaftig einer Fledermaus.
    »Endlich in Krumau … der neue Herr Graf«, hörte sie den Vater murmeln, worauf der Puppenmacher jedoch nur mit einigen Grunzlauten antwortete.
    Überhaupt wusste man bei ihm selten, wie seine Bekundungen letzten Endes aufzufassen waren. »Käjserlicher Puppenmacher, untertän’chster Diener«, so pflegte er sich bei jeder Gelegenheit vorzustellen. Doch sein absonderlicher Akzent brachte es mit sich, dass man nie sicher sein konnte, ob er sich tatsächlich als »untertänigster Diener« oder im Gegenteil als »unverschämter Schlawiner« bezeichnet hatte, was der Wahrheit zweifellos näher käme.
    Und wieso eigentlich »Puppenmacher«?, dachte Markéta. In ganz Krumau hatte nie irgendwer gesehen, wie er aus Stöcklein,

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