Der Algebraist
üblich ein paar Stufen weiter oben und bemühte sich,
seinen fleckigen, verbeulten Panzer zu säubern, indem er darauf
spuckte und ihn dann mit einem schmutzigen Lappen polierte –,
doch als Fassin zu ihm aufschaute, sah ihn das Tier nur ausdruckslos
an.
»Aber ich war doch nur ein Computer.« Der Alte runzelte
die Stirn. »Noch nicht einmal das. Nur ein Geist in einem
Computer. Ich tat, was man mir sagte, war allzeit gehorsam. Ich war
das Interface zwischen den Voehn, die das Denken übernahmen und
die Entscheidungen trafen, und den physischen Strukturen und Systemen
des Schiffes. Eine Vermittlungsinstanz. Nicht mehr.«
»Vermisst du das?«
»Irgendwie schon. Aber eigentlich bin ich dazu gar nicht
fähig. Etwas aufrichtig zu vermissen, das wäre – nach
meinem Verständnis – gleichbedeutend mit einem Gefühl,
und das ist für jemanden, der nicht empfindungsfähig und
noch nicht einmal lebendig ist, nun einmal nicht möglich. Aber
soweit ich in der Lage bin, einen Zustand einem anderen vorzuziehen,
vielleicht, weil mir der eine erlaubt, die mir zugewiesene Rolle
auszufüllen und der andere nicht, könnte ich sagen, dass
ich das Schiff vermisse. Es ist nicht mehr. Ich habe danach gesucht,
aber es ist nicht mehr da. Ich kann es weder spüren, noch
steuern, und das heißt, dass es sich selbst zerstört haben
muss. Ich wurde wohl auf ein anderes Substrat
übertragen.«
Fassin schaute zu dem Affenwesen hinauf, das nur ein paar Schritte
über ihnen hockte. Quercer & Janath hatten die Protreptik vollkommen übernommen und den schiffseigenen Computer samt
der darauf laufenden Software von den Untersystemen des Schiffes
getrennt.
»Und was bin ich deiner Meinung nach?«, fragte
Fassin.
»Was ist der kleine Affe, der da in seinem Panzer hinter uns
sitzt?«
»Ich weiß es nicht«, gestand der Alte. »Seid
ihr auch tote Schiffe?«
Fassin schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Dann seid ihr vielleicht Verkörperungen der Instanz,
die das Substrat steuert, in dem ich jetzt laufe. Und ihr wollt mich
nach Aktionen befragen, die ich durchgeführt habe, als ich noch
das Schiff war.«
»Du kommst mir sehr lebendig vor«, sagte Fassin.
»Könnte es nicht sein, dass du nach der Trennung vom Schiff
ein lebendes, empfindungsfähiges Wesen geworden bist?«
»Natürlich nicht!«, rief der Alte verächtlich.
»Ich kann wie ein Lebewesen erscheinen, ohne wirklich lebendig
zu sein. Das ist nicht weiter schwierig.«
»Wie machst du das?«
»Ich kann auf meine Erinnerungen zugreifen und habe Billionen
von Fakten, wissenschaftliche Werke, Bücher, Aufzeichnungen,
Sätze, Wörter und Definitionen zur Verfügung.«
Der Alte betrachtete seine Fingerspitzen. »Ich bin die Summe
aller meiner Erinnerungen und die Anwendung gewisser Regeln aus einem
umfangreichen Befehlsverzeichnis. Ich besitze die Fähigkeit,
ausnehmend schnell zu denken, daher kann ich nicht nur hören,
was du, ein Wesen mit Bewusstsein und Empfindungsfähigkeit, zu
mir sprichst, ich kann auch in einer für dich sinnvollen Weise
darauf reagieren, ich kann deine Fragen beantworten, deinen Aussagen
folgen und sogar erraten, was du denkst.
All das ist jedoch nur das Werk von Programmen – die von
empfindungsfähigen Wesen geschrieben wurden. Sie sichten
Gespräche und Texte, die ich gespeichert habe, und wählen
diejenigen aus, die sich am besten als Vorlage eignen. Das hört
sich rätselhaft an, ist aber nur kompliziert. Das Verfahren
beginnt mit so einfachen Dingen, wie dass du ›Hallo‹ sagst
und ich mit ›Hallo‹ antworte oder nach dem, was ich sonst
über dich weiß, eine ähnliche Aussage wähle, und
geht bis zu so komplexen Äußerungen wie, nun ja, wie ich
sie eben gemacht habe.«
Der alte Mann sah ihn erschrocken an und war plötzlich wieder
verschwunden.
Fassin schaute zu dem rotbraunen Affen hinauf. Der nieste und
bekam einen Hustenanfall. »Das«, keuchte er, »hat
nichts«, fuhr er von Husten geschüttelt fort, »mit mir
zu tun.«
Als Fassin wiederkam, war das andere Ufer des großen,
trägen Flusses zum Spiegelbild der Seite geworden, auf der er
selbst, der alte Mann und der schlaksige Affe sich befanden. Vor
ihnen lag eine uralte Stadt mit steinernen Kuppeln und Türmen
– schwarz und schweigend, von Bäumen und Schlingpflanzen
überwuchert – und direkt gegenüber erhob sich ein
gewaltiger, überreich mit Statuen und Reliefs von phantastischen
Fabeltieren geschmückter Tempel. Von seinem unteren Rand
führten Dutzende von hohen Steinterrassen
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