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Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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neuen und ärgerlichen,
aber auch seltsam erregenden Einschränkungen unterworfen sah und
alle Hände voll zu tun hatte, um mit der plötzlichen
Isolation und der jetzt so deutlich spürbaren Verwundbarkeit zu
Rande zu kommen, lebte man eher in den Tag hinein und raffte, nur
für den Fall, dass es kein Morgen mehr gäbe, alles an
Freuden und Genüssen zusammen, was man erhaschen konnte. Es kam
nicht zu einem gesellschaftlichen Zusammenbruch, auch nicht zu
größeren Unruhen oder Aufständen, aber es gab
durchaus Proteste, die radikal niedergeschlagen wurden, und, wie die
Regierung später – sehr viel später –
eingestand, es wurden Fehler gemacht. Aber das System hielt zusammen
und zerfiel nicht, und später sollte so mancher nicht ohne
Nostalgie auf diese stürmische Epoche zurückblicken. Es war
eine hektische, aber sehr lebendige Zeit, man fand den Anschluss an
das Leben wieder, nachdem man von allem anderen getrennt worden war,
und so erlebte das Ulubis-Separat, wie es nach und nach genannt
wurde, eine innere Erneuerung, die für manchen Beobachter
verdächtige Ähnlichkeit mit einer kulturellen Renaissance
hatte.
     
    Fassin bekam von der ganzen Aufregung nur wenig mit. Er
nützte jede sich bietende Gelegenheit zu einem Trip, als
hätte er Angst, in Zukunft keine Möglichkeit mehr dazu zu
bekommen. Auch wenn er wieder in die Realzeit zurückkehrte,
hielt er sich fern von den Exzessen, in die sich das System in seiner
Mischung aus Angst und nervöser Unruhe stürzte. Anstatt
sich nach Sepekte oder in eines der Ring-Habitate zu begeben,
verkroch er sich lieber auf ’glantine und lebte dort im
Schoß des Sept in einer der fünf Jahreszeitenresidenzen
und nicht in Pirrintipiti oder einer der anderen
Großstädte des Planetenmonds. Wenn er gelegentlich doch
einmal nach Pirri reiste oder seinen Urlaub außerhalb von
’glantine verbrachte, spürte er die neuerdings so
überhitzte Atmosphäre besonders deutlich.
    Meistens freilich war er in einem zerbrechlichen kleinen Gasschiff
in Nasqueron mit den Dwellern unterwegs, gelegentlich sogar bei
normaler Lebensgeschwindigkeit. Mit den Jüngeren ritt er auf den
Gasen und ließ sich von gasriesenumspannenden,
planetenverschlingenden Superwinden und Hyperwirbelstürmen
durchschütteln. Manchmal schwebte er auch – das war weit
weniger spannend, brachte aber häufig bessere Ergebnisse –
mit einem der älteren Dweller-Gelehrten gemächlich durch
ein Arbeitszimmer oder eine Bibliothek in einer der Millionen von
Dweller-Städten. Die Dweller schienen als einzige Bewohner des
Systems das Portal überhaupt nicht zu vermissen. Einige der
Höflicheren (sie waren selten) brachten mit Floskeln wie
›schade-aber-nicht-zu-ändern‹ ihr Bedauern zum
Ausdruck, als kondolierten sie einem flüchtigen Bekannten zum
friedlichen Tod eines alten Onkels, aber das war auch schon
alles.
    Wahrscheinlich war es töricht, dachte Fassin, von einer
Rasse, die so uralt war, wie die Dweller es von sich behaupteten,
etwas anderes zu erwarten. Angeblich hatten ihre Vorfahren lange,
bevor sich der Planetennebel, aus dem Erde, Jupiter und die Sonne
entstehen sollten, aus den Trümmern noch älterer
Sternengenerationen gebildet hatte, die Galaxis bei wenigen Prozent
Lichtgeschwindigkeit mehrfach durchreist. Seither behaupteten sie,
sich eingeengt zu fühlen, nicht etwa durch jene absolute Grenze
jeder konventionellen Reisegeschwindigkeit, sondern durch die
bescheidenen Ausmaße der Galaxis, die bei jenen unendlich weit
in der Vergangenheit liegenden, in ihrer Gemächlichkeit fast
trotzig anmutenden Expeditionen offenbar geworden waren.
     
    Aus den Tagen, Wochen und Monaten des Wartens und der Vorbereitung
auf eine Invasion wurde ein Jahr. Die Beyonder-Anschläge nahmen
nicht etwa zu, sondern gingen fast auf null zurück, so als
wäre der Überfall auf das Portal nicht der logische, wenn
auch mit hohen Verlusten verbundene Vorläufer eines
Eroberungskrieges, sondern ein letzter, irrer Husarenritt gewesen.
Die Jahre rundeten sich zum Jahrzehnt, und allmählich
entspannten sich Bürger und Institutionen und wiegten sich in
dem Glauben, die Invasion würde niemals kommen. Die Mehrzahl der
Notstandsmaßnahmen wurde aufgehoben, doch die Streitkräfte
blieben zahlenmäßig stark und in Alarmbereitschaft und
suchten mit Sensoren und Patrouillen die Raumsektoren im näheren
Umkreis von Ulubis nach einer Bedrohung ab, aber sie schien
verschwunden zu sein.
    Nach allen Seiten erstreckte sich ein ödes,

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