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Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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schaute hinab in den riesigen
Krater, wo einst ein großer Teil der Stadt gestanden hatte.
    Noch war der Krater nicht voll gelaufen. Aus dem
Mündungsdelta dahinter wälzte sich schäumendes,
bräunlich weißes Meerwasser träge über die
Kante. Danach verschwand der Wasserfall in einer riesigen Wolkenbank.
Wo die Fluten auf das Gestein trafen, verdampften sie zischend und
fauchend, die große Felsschale kühlte nur langsam ab. Eine
dicke Dampfsäule von mehr als drei Kilometern im Durchmesser
stieg in den ruhigen pastellfarbenen Himmel, wogte durch die
dünnen Wolkenschleier und wurde von den mittleren
Atmosphäreschichten platt gedrückt.
    Es war eine Marotte des Archimandriten. So oft er einem Planeten,
der die notwendigen Voraussetzungen erfüllte, eine schmerzhafte
Lektion erteilen musste, wählte er eine Stadt am Meer, ob sie
sich ihm nun selbst widersetzt hatte oder nur stellvertretend
für den Widerstand anderer Gruppen die Strafe erdulden musste,
und gestaltete sie nach dem Vorbild seines geliebten Junch City auf
Leseum9IV um. Ein Volk, das Widerstand leistete, sei es während
der Eroberung oder unter seiner Besatzung, musste natürlich
bestraft werden, doch zugleich dienten die Opfer einem höheren
Zweck, denn mit ihrem Tod, mit der Zerstörung großer Teile
ihrer Stadt wirkten sie – ahnungslos und ohne es zu wollen
– an der Entstehung eines wahren Kunstwerks mit. Lag da unten am
Fuß dieses Berges nicht eine neue Faraby-Bucht? War der Spalt,
durch den die Wasser donnerten und die Erde erschütterten, nicht
eine zweite Force-Schlucht? War dieser mächtige Dampfturm, der
zuerst senkrecht nach oben stieg und sich dann bis zum Horizont
ausbreitete, nicht ein Markenzeichen, sein ganz persönliches
Siegel?
    Natürlich war die Bucht zu rund geraten, und der Spalt war
nicht mehr als ein Riss in einer bescheidenen Kraterwand, die
hauptsächlich aus Mündungsschlamm bestand. Ästhetisch
betrachtet blieb er hinter den mächtigen, Kilometer hohen
Klippen der echten Force-Schlucht weit zurück. Tatsächlich
fehlte diesem neuen Junch City der Rahmen, der dramatische
Gebirgsring, der die echte Stadt umgab. Der kleine Hügel in der
Parklandschaft, auf dem er stand – seine Admiräle,
Generäle und Leibwächter warteten gehorsam hinter ihm und
störten ihn nicht in seinen Überlegungen –, war nur
ein kläglicher Ersatz für die schroffe Klippe der
Felsenzitadelle und die grandiose Aussicht aus seinem
Arbeitszimmer.
    Aber ein Künstler musste mit dem Material arbeiten, das eben
zur Hand war. Wo einst nur eine geschäftige Meeresstadt wie
viele andere am Strand geklebt hatte, hügelig, strukturlos um
einen Nebenfluss herumgewuchert, mit den üblichen, von
Hochhäusern, Hafenanlagen, Wellenbrechern und Ankerplätzen
geprägten Randbezirken – mit anderen Worten kaum
verändert durch so genannte Katastrophen wie Erdbeben,
Überschwemmungen, Feuersbrünste, Beschuss von See oder aus
der Luft oder frühere Invasionen –, da war nun das Bild
eines fernen und lieblichen Ortes entstanden. Diese Landschaft mit
ihrer wilden Schönheit war der richtige Rahmen für eine
neue Stadt nach dem Bild seiner Herrschaft. Sie stellte – ja
– so etwas wie eine heilende Verbindung zu jenen andern
Völkern und Orten her, die sich seinem Willen unterworfen
hatten, eine Verbindung im Leiden wie im Erscheinungsbild. Denn
dieser majestätische Krater, sein jüngstes Werk, war nur
seine letzte Schöpfung, ein weiterer Edelstein an einer Kette,
die zurückreichte bis nach Junch City, jenem Urbild von Anmut
und Schönheit.
    Erobern und zerstören konnte jeder, der fest an sich glaubte,
der ausreichend skrupellos war und (Lusiferus hielt dieses
Eingeständnis für ein Zeichen von Bescheidenheit) das
nötige Glück hatte – wenn der Wille vorhanden war und
die Zeiten solche Maßnahmen erforderten. Einschätzen zu
können, wie weit die Zerstörung gehen musste, um die
gewünschte Wirkung zu erzielen, zu wissen, wann man gnadenlos zu
sein und wann man Nachsicht oder gar Großmut mit einer Spur
Humor zu zeigen hatte, um seine Opfer zu betören und ihren Zorn
zu entschärfen, das erforderte Augenmaß, Feingefühl
und – ihm wollte kein anderes Wort einfallen – Kultur. Er verfügte über diese Eigenschaften. Seine Erfolge
sprachen für sich. Noch einen Schritt weiter zu gehen und aus
der bedauerlichen, aber unvermeidlichen Zerstörung nach dem Bild
eines besseren Ortes ein Kunstwerk zu schaffen und Urbild und Abbild
symbolisch zu einer Einheit

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