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Der alte Mann und das Meer

Der alte Mann und das Meer

Titel: Der alte Mann und das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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alten Mannes trocknete kalt auf seinem Rücken und seinen Armen und seinen alten Beinen.
    Während des Tages hatte er den Sack, der den Behälter mit dem Köder zudeckte, genommen und ihn in der Sonne zum Trocknen ausgebreitet. Nachdem die Sonne untergegangen war, band er ihn sich um den Hals, so daß er über seinen Rücken hinabhing, und er bugsierte ihn behutsam unter die Leine, die jetzt quer über seine Schultern lief. Der Sack nahm wie ein Kissen den Druck von der Leine, und er hatte eine Art ausprobiert, sich vornüber in den Bug zu lehnen, so daß er es beinah bequem hatte. Die Lage war tatsächlich nur einigermaßen weniger unerträglich, aber er fand es beinah bequem.
    Ich kann nichts mit ihm anfangen, und er kann nichts mit mir anfangen, dachte er. Nicht, solange er so weitermacht.
    Einmal stand er auf und urinierte über die Seite des Bootes und sah zu den Sternen auf und kontrollierte seinen Kurs. Die Leine lief über seine Schultern hinab ins Wasser, wo sie sich wie ein phosphoreszierender Strich abzeichnete.
    Sie bewegten sich jetzt langsamer, und der Lichtschein von Havanna war weniger stark, so daß er wußte, daß die Strömung sie ostwärts trug. – Wenn ich die Glut über Havanna nicht mehr sehe, müssen wir noch weiter ostwärts treiben, dachte er. Denn wenn der Kurs des Fisches derselbe geblieben ist, muß ich sie noch mehrere Stunden lang sehen. Wie wohl die Baseballresultate der großen Ligen heute waren, dachte er. Es wäre wunderbar, wenn man ein Radio hierbei hätte.
    – Dann dachte er, denk die ganze Zeit daran. Denk an das, was du tust. Du darfst nichts Dummes tun.
    Dann sagte er laut: »Ich wünschte, ich hätte den Jungen da. Um mir zu helfen und um dies zu sehen.«
    Niemand sollte im Alter allein sein, dachte er. Aber es ist unvermeidlich. Ich muß dran denken, den Thunfisch zu essen, bevor er verdirbt, damit ich bei Kräften bleibe. Denk dran, ganz gleich, wie ungern du’s tust; du mußt ihn morgen früh essen. Denk dran, sagte er zu sich selbst.
    Während der Nacht kamen zwei Tümmler an das Boot heran, er konnte hören, wie sie sich wälzten und schnauften. Er konnte zwischen dem schnaufenden Geräusch des Männchens und dem seufzenden Schnaufen des Weibchens unterscheiden.
    »Sie sind gut«, sagte er. »Sie spielen und scherzen und lieben einander. Sie sind unsere Brüder wie die fliegenden Fische.«
    Dann fing er an, den großen Fisch, den er angehakt hatte, zu bemitleiden. Er ist wunderbar und merkwürdig, und wer weiß, wie alt er ist, dachte er. Noch nie habe ich einen so starken Fisch angehakt, auch keinen, der sich so merkwürdig benimmt. Vielleicht ist er zu klug, um zu springen. Er könnte mich durch seine Sprünge oder durch einen wilden Ausbruch vernichten. Aber vielleicht ist er bereits viele Male zuvor angehakt gewesen, und er weiß, daß er auf diese Art kämpfen muß. Er kann nicht wissen, daß er nur einen Mann gegen sich hat, auch nicht, daß es ein alter Mann ist. Aber was das für ein großer Fisch sein muß und was er auf dem Markt bringen wird, wenn sein Fleisch gut ist! Er hat den Köder wie ein männlicher Fisch genommen, und er zieht auch wie einer, und er setzt sich ohne Panik zur Wehr. Ob er wohl irgendeinen Plan hat oder ob er ebenso verzweifelt ist wie ich?
    Er erinnerte sich an den Tag, als einer von einem Paar Marlins angebissen hatte. Der männliche Fisch ließ immer den weiblichen Fisch zuerst fressen, und der angehakte Fisch, der weibliche, setzte sich wild, von Panik erfaßt, verzweifelt zur Wehr und war bald erschöpft, und die ganze Zeit über war der männliche Fisch bei ihm geblieben, hatte die Leine gekreuzt und war mit ihm an der Oberfläche gekreist. Er war so dicht neben ihm geblieben, daß der alte Mann Angst gehabt hatte, daß er die Leine mit seinem Schwanz durchschneiden würde, der so scharf wie eine Sense war und beinah die gleiche Form und Größe hatte.
    Während der alte Mann das Weibchen mit einem Fischhaken und mit der Keule bearbeitete und den rapierartigen Schnabel mit seinem sandpapierrauhen Rand festhielt und ihr mit der Keule über den Schädel schlug, bis ihre Farbe beinah die Farbe der rückwärtigen Schicht eines Spiegels glich, und sie dann mit Hilfe des Jungen an Bord hißte, war der männliche Fisch neben dem Boot geblieben.
    Dann, während der alte Mann die Leinen und die Harpune klarmachte, sprang der männliche Fisch neben dem Boot hoch in die Luft, um zu sehen, wo das Weibchen geblieben war, und zog dann in die

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