Der Amerikaner - The American
Polizei erregt hat, weiß ich es inzwischen.« Sie wies auf die aufgestapelten Berichte. »Eigentlich sollten sie clever genug sein, uns nicht mit diesem Müll die Zeit zu stehlen.«
Kealey zuckte die Achseln. »Es kommt nicht jeden Tag vor, dass die Polizei eines Bundesstaates vom TTIC um Unterstützung gebeten wird. Auch wenn wir uns mit den Formulierungen Mühe gegeben haben, sie kennen den Absender. Deshalb werden sie vermuten, dass es um eine terroristische Bedrohung geht, und die Unterstützung könnte sich auszahlen, wenn sie im nächsten Jahr ihre Budgetforderungen vorlegen. In erster Linie wollen sie sich selbst helfen, Naomi.«
»Meinetwegen, aber es wäre schon nett, wenn sie nebenbei auch ein bisschen an uns denken würden«, murmelte sie.
Kealey legte ihr grinsend eine Hand auf die Schulter. »Okay, ich helfe dir. Wenn dieser Kram so wertlos ist, wie du sagst, sind wir um zwölf fertig. Dann lade ich dich zum Mittagessen ein. Guter Vorschlag?«
Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte sie. »Abgemacht.«
»Was ist das jetzt wieder für ein Dreck?«, fragte Sergeant Richard Pittman, als der nächste Papierstoß auf seinem Schreibtisch landete. »Wo zum Teufel kommt das her? Von Jimmy?«
»Nein. Direkt vom Lieutenant.«
»Ja, um auf deinem Schreibtisch zu enden«, grummelte Pittman. »Komm schon, Mann. Sicher, dass ein Teil des Krams nicht dir zugedacht ist?«
Der andere Polizist schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, warum du so jammerst, Pitts. Gleich haben wir eine zweistündige Besprechung, die du dir jetzt schenken kannst. Die anderen sind schon da. Wer immer dir diesen Mist auf den Schreibtisch gekippt hat, wahrscheinlich hat er dir einen Gefallen getan.«
»Ja, besten Dank«, murmelte Pittman. Mittlerweile war er allein in dem Raum, sodass er ungestört eine lange Kette von Flüchen ausstoßen konnte, während er nach dem Papierstapel griff und ihn neben das Faxgerät fallen ließ. Nach acht Jahren bei der Virginia State Police hatte er sich schon mehr als einmal der Illusion hingegeben, diese nervtötenden Aufgaben bald nicht mehr übernehmen zu müssen.
Er blätterte die Papiere durch und sah, dass die fünfundsiebzig Berichte anscheinend alle an den gleichen Adressaten gehen sollten. Immerhin etwas, dachte er. Dann muss ich nicht ständig eine neue Nummer eingeben.
Er tippte die ein, die oben auf der ersten Seite stand, und begann das Faxgerät mit den Blättern zu füttern. Fünfundvierzig Minuten und zwei Tassen Kaffee später faxte er eine Vermisstenanzeige, die an das National Crime Information Center weitergeleitet werden musste.
Aufgegeben worden war sie von einem Jack Milbery, dessen Frau seit drei Tagen spurlos verschwunden war.
Als das Faxgerät am anderen Ende zu surren begann, bog Will Vanderveen auf seiner Honda gerade schwungvoll von der Chamberlayne Road in die enge Auffahrt ab, wobei reichlich Kieselsteine zur Seite spritzten. Er hatte den Tag in Richmond verbracht, wo noch ein paar letzte Einkäufe zu erledigen gewesen waren. Unspektakuläre, billige Artikel, die für den Erfolg seiner Operation aber ebenfalls von entscheidender Bedeutung und identisch mit denen waren, die er vor fast drei Wochen schon einmal gekauft hatte.
Während der kurzen Hin- und Rückfahrt hatte er sorgfältig darauf geachtet, nicht zu schnell zu fahren, und es hatte keine Probleme gegeben. Wenn er die Farm das nächste Mal verließ, würde er nicht wieder zurückkehren, unabhängig davon, was nach diesem Zeitpunkt passierte.
Er stellte das Motorrad hinter der Scheune ab, wo sich mehrere auf dem Kopf stehende Blumentöpfe befanden. Unter dem dritten von links lag eine in ein Trockentuch gewickelte HK-USP-Compact, Kaliber 40. Die Waffe in der Hand, durchsuchte er Scheune und Haus, bevor er seine Einkäufe in der Küche abstellte. Er hatte aus dem unglückseligen Zwischenfall mit der Maklerin seine Lehren gezogen und würde nicht noch einmal so sorglos sein.
Dann ging er ins Bad, wo er im kalten Licht der Neonröhre
seinen letzten verbliebenen Pass gegen die gesprungenen Kacheln lehnte, und blickte auf das Konterfei von Claude Bidault. Anschließend betrachtete er sich im Spiegel.
Obwohl er fast vierzig war, wirkte sein Gesicht noch überraschend jugendlich. Trotzdem sah er jetzt zum ersten Mal, dass sich um die Augenwinkel kleine Fältchen abzuzeichnen begannen. Davon abgesehen sah er immer noch fast genauso aus wie vor zwanzig Jahren. Diese ersten Anzeichen des Alterns
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