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Der Amerikaner - The American

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Titel: Der Amerikaner - The American Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Britton
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beunruhigten ihn nicht im Geringsten. Wie alle Leute mit einem perfekten Aussehen konnte auch er sich den Luxus leisten, nicht weiter darüber nachzudenken.
    Obwohl es ihm lieber war, glatt rasiert zu sein, hatte er sich während der letzten beiden Wochen einen Bart stehen lassen, und sein blondes Haar stand in einem augenfälligen Kontrast zu der natürlich gebräunten Haut. Nach der Rückkehr in die Vereinigten Staaten hatte er sein Haar braun gefärbt, wovon jetzt, nach der Verwendung eines chemischen Shampoos, nichts mehr zu sehen war. Es war die einzige kosmetische Veränderung gewesen. Während der ersten Wochen hatte er so viel Dringendes zu erledigen gehabt, dass ihm keine Zeit geblieben war, sich ständig um sein Äußeres Gedanken zu machen.
    Schon zweimal zuvor hatte er sich in Claude Bidault verwandelt - einmal, um den Econoline-Lieferwagen zu kaufen, und ein zweites Mal, um das Fahrzeug im Straßenverkehrsamt von Richmond umzumelden. Jetzt stand der dritte und letzte Akt bevor. Er nahm die Artikel, die er in vier verschiedenen Läden gekauft hatte, aus der Papiertüte und legte sie auf das Bord.
    Er hatte sich für ein Haarfärbemittel entschieden, das problemlos mit Wasser auszuwaschen war. Nachdem er mit einem kleinen Pinsel seinen Bart schwarz gefärbt hatte, benutzte er einen großen für das Kopfhaar. Dann studierte er noch einmal
eingehend das Passfoto und setzte die Schere an. Claude Bidault war ein kleiner Handwerker, der zum Arbeiten nach Amerika gekommen war, und ein Mann seines Typs durfte nicht so aussehen, als wäre er gerade bei einem teuren Frisör gewesen. Ein ums Überleben kämpfender Einwanderer schnitt sich aller Wahrscheinlichkeit nach selbst die Haare, und zwar nicht besonders gekonnt.
    Bald war er fertig. Sein nunmehr schwarzes Haar war immer noch ziemlich lang, aber unverkennbar nicht besonders gekonnt geschnitten. Der Job war erledigt, er hatte ganze Arbeit geleistet. Jetzt gab es nur noch einen optischen Unterschied zwischen ihm und dem Mann auf dem Passfoto, und der war leicht aus der Welt zu schaffen. Als er die braun getönten Kontaktlinsen eingelegt hatte und in den Spiegel blickte, stellte er befriedigt fest, dass Will Vanderveen sich in Claude Bidault verwandelt hatte.
    Komplettiert werden konnte das Bild durch Arbeitsschuhe mit Stahlkappen und die zusammengewürfelte Garderobe eines Mannes, der den größten Teil des Tages auf Baustellen verbrachte. Laut Pass wog Claude Bidault neunzig Kilogramm, Vanderveen brachte dagegen nur knapp über fünfundsiebzig auf die Waage. Aber er glaubte, das kaschieren zu können, wenn er unter einer weiten Jacke mehrere langärmelige Hemden übereinander trug, was auf den kalten Washingtoner Straßen Ende November bestimmt kein ungewöhnlicher Anblick war.
    Stirnrunzelnd blickte er in das Waschbecken, angestrengt darüber nachdenkend, ob er etwas vergessen hatte. Es waren noch fünfundzwanzig Pfund Semtex H übrig, für die er sich einen guten Verwendungszweck einfallen lassen würde. Shakibs Broschüre würde ihn nach Washington begleiten. Möglicherweise war das ein unnötiges Risiko, aber es konnte sich auszahlen. Er
wollte das Schriftstück nicht zurücklassen. Die übrig gebliebene Haartönung und die anderen Artikel würde er auf der großen Wiese hinter der Scheune verbrennen. Das Haus war auf den Namen Timothy Nichols gemietet, den er auch schon bei der Abholung der Nummernschilder für die Honda benutzt hatte. Auch den auf diesen Namen lautenden Pass würde er mit weiteren Gegenständen hinter der Scheune verbrennen. Die Nummernschilder des Motorrads würde er abmontieren und im Wald verschwinden lassen. Beide Vorsichtsmaßnahmen würden ihm nur einen geringen Zeitgewinn verschaffen, falls die Strafverfolgungsbehörden auf den Namen Timothy Nichols stießen, aber ein kleiner Vorsprung war besser als gar keiner.
    Mehr fiel ihm im Augenblick nicht ein, aber er stand nicht unter Druck. Die zeitliche Planung war sorgfältig bedacht, und es würde sich auszahlen, nichts zu überstürzen; je länger er sich in Washington aufhielt, desto größer war die Gefahr, entdeckt zu werden. Außerdem gab es noch einiges zu tun, um die leeren Stunden zu füllen, und ein bisschen Schlaf konnte auch nicht schaden.
    Zurück in der Scheune, betrachtete er aufmerksam, was noch auf seinem Arbeitstisch lag, und in seinem Kopf nahm eine Idee Gestalt an. Er wählte einige Gegenstände aus und packte sie in eine dünne Stofftasche. Dann warf er sie über

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