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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Peter Bremer
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behaupten, er sei Alis einzig wahrer Freund gewesen? War es nicht vielmehr so, dass Ali sein einzig wahrer Freund gewesen war, und war es nicht auch so, dass nicht Ali, sondern er diese Freundschaft erneuert hatte? Ali war der letzte Mensch, der ihm geblieben war. Musste er nicht allein deshalb Kontakt zu ihm suchen? Warum ging er dieser Geschichte nicht nach? Das war doch seine Geschichte. Anstatt sich hier im Bett zu zermürben oder sich am Schreibtisch an ein paar überspannten Zeilen an den amerikanischen Investor abzuarbeiten, die dieser doch ohnehin sofort wieder aus seinem Flugzeug segeln lassen würde, galt es doch jetzt, vor allem anderen, einen Brief an den kleinen Ali zu verfassen. Gleich morgen früh würde er beim Fernsehen anrufen und fragen, ob noch jemand lebte, der sich an Alis damalige Adresse oder wenigstens an seinen vollständigen Namen erinnerte, und wenn diesem Versuch kein Erfolg beschieden sein würde, dann musste er halt ab nächster Woche, koste es, was es wolle, in allen überregionalen Zeitungen eine Anzeige starten: Wer außer mir erinnert sich noch an den kleinen Ali? Antwort bitte an: …
    Er schloss die Augen. Ob der kleine Ali sich wohl über einen Brief von ihm freuen würde? Was würde der kleine Ali mit diesem Brief machen? Würde er ihn lange anstarren, um ihn dann an seine inzwischen stark behaarte Brust zu drücken? Würde er diesen Brief noch am gleichen Abend unter Tränen seiner Frau vorlesen und nachts seinen Kopf auf ihn betten? Würde dieser Brief ihm vielleicht sogar dabei helfen, den Schmerz, den er noch aus jenen Tagen in der Siedlung in sich trug, zu lindern? Oder würde er den Brief und seinen Verfasser verfluchen? Würde er den Brief nicht nur verbrennen, sondern auch noch die Asche zertrampeln, weil erst durch diesen Brief seine damalige Not, längst vergessen und verwunden, sich jetzt wieder in seine Tage drängte?
    Er öffnete die Augen. Durfte er Ali wirklich diesen Brief schreiben? Vielleicht trieben auch Ali in diesen Tagen ganz andere Sorgen um. Vielleicht stritt auch Ali in diesen Tagen immerzu mit seiner Frau. Vielleicht lag auch Ali in diesen Tagen die meiste Zeit allein in seinem Bett. Vielleicht ballte auch Ali in diesen Tagen seine Faust gen Himmel, dem amerikanischen Investor entgegen, und vielleicht konnte deshalb auch in diesen Tagen nichts schlimmer auf Ali wirken, als durch einen Brief an sein Leben in der Siedlung erinnert zu werden. Vielleicht würde dieser Brief ihn in diesen Tagen vollends ins Wanken bringen.
    Er schloss die Augen. Musste dieser erste Brief, den er Ali schreiben würde, nicht sogar etwas Heiteres im Ton haben? Musste Ali diesen ersten Brief nicht gern lesen? Musste dieser erste Brief nicht bewirken, das Ali fortan jeden Morgen klopfenden Herzens und mit einer freudigen Erwartung den Briefkasten öffnete? Vielleicht sollte er in diesem ersten Brief sogar die sich absenkenden Böden weglassen. Vielleicht sollte er in diesem ersten Brief nur von dem Fleiß seiner Frau berichten, den guten Noten, die sein Sohn nach Hause brachte, der Tierliebe seiner Tochter. Vielleicht könnte er Ali diesen Brief dann sogar persönlich überbringen. Vielleicht täte ihm gerade diese Zugreise wohl. Vielleicht würde er unterwegs noch eine große Tafel Schokolade für Ali kaufen oder eine Tüte mit getrockneten Datteln. Vielleicht würden Ali und er tatsächlich Freunde werden. Vielleicht würden Ali und er ein gemeinsames Wohnprojekt ins Leben rufen. Vielleicht würden ihn Ali und diese Reise trösten. Ein amerikanischer Investor, sagen Sie. Und da machen Sie sich Sorgen? Wir leben doch hier in einem Rechtsstaat. Erzählen Sie mir lieber noch ein wenig von Ihrer Frau, von der Sie mir schon so viel geschrieben haben. Es scheint sich ja um eine sehr tüchtige Frau zu handeln. Nicht dass ich unbedingt tauschen wollte, aber wissen Sie, eine gute Frau ist heutzutage schwer zu finden, und was Sie mir von Ihren drei, oder waren es zwei?, Kindern geschrieben haben, da können Sie doch auch zufrieden sein. Wenn ich Ihren Worten glauben darf, und warum sollte ich zweifeln, sind die beiden doch auf dem Weg, anständige Menschen zu werden. So ein Leben, wie Sie es zu führen scheinen, mein Freund, sollte man schützen. So ein Leben hat einen großen Wert. Und jetzt gehen Sie. Kehren Sie wieder zu Ihrer Familie zurück. Ihr Brief hat mich wirklich gerührt, und dass Sie diesen langen Weg auf sich genommen haben, um ihn mir selbst auszuhändigen, lässt mich

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