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Der Amokläufer

Der Amokläufer

Titel: Der Amokläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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wehe zu tun, um mich zu quälen ... und ... weil ... weil sie sich schämt ... Vielleicht ist sie auch schlecht geworden, aber ich ... ich glaube es nicht ... denn, mein Herr, sie war sehr gut, sehr gut ...«
    Er wischte sich die Augen und blieb stehen in seiner übermächtigen Erregung. Unwillkürlich blickte ich ihn an, und er schien mir mit einem Male nicht mehrlächerlich, und selbst diese merkwürdige servile Anrede, »mein Herr«, die in Deutschland nur niedern Ständen zu eigen ist, spürte ich nicht mehr. Sein Antlitz war ganz von der inneren Bemühung zum Wort durchbildet, und der Blick starrte, wie er schwer jetzt wieder vorwärts taumelte, starr auf das Pflaster, als läse er dort im schwankenden Lichte mühsam ab, was sich dem Krampf seiner Kehle so quälend entriß.
    »Ja, mein Herr«, stieß er jetzt tiefatmend heraus, und mit einer ganz anderen, dunklen Stimme, die irgendwie aus einer weicheren Welt seines Innern kam: »Sie war sehr gut ... auch zu mir, sie war sehr dankbar, daß ich sie aus ihrem Elend erlöst hatte ... und ich wußte es auch, daß sie dankbar war ... aber ... ich ... wollte es hören ... immer wieder ... immer wieder ... es tat mir gut, diesen Dank zu hören ... mein Herr, es war so, so unendlich gut, zu spüren, zu spüren, daß man besser ist ... wenn ... wenn man doch weiß, daß man der Schlechtere ist ... ich hätte all mein Geld dafür gegeben, es immer wieder zu hören ... und sie war sehr stolz und wollte es immer weniger, als sie merkte, daß ich ihn forderte, diesen Dank ... Darum ... nur darum, mein Herr, ließ ich sie immer bitten ... nie gab ich freiwillig ... es tat mir wohl, daß sie um jedes Kleid, um jedes Band kommen mußte und betteln ... drei Jahre habe ich sie so gequält, immer mehr ... aber, mein Herr, es war nur, weil ich sie liebte ... Ich hatte ihren Stolz gern, und doch wollte ich ihn immer knechten, ich Wahnsinniger, und wenn sie etwas begehrte, so war ich böse ... aber, mein Herr, ich wares gar nicht ... ich war selig jeder Gelegenheit, sie demütigen zu können, denn ... denn ich wußte gar nicht, wie ich sie liebte ...«
    Wieder stockte er. Ganz torkelnd ging er. Offenbar hatte er mich vergessen. Mechanisch sprach er, wie aus dem Schlaf, mit immer lauterer Stimme.
    »Das ... das habe ich erst gewußt, wie ich damals ... an jenem verfluchten Tag ... ich hatte ihr Geld verweigert für ihre Mutter, ganz, ganz wenig ... das heißt, ich hatte es schon bereitgelegt, aber ich wollte, daß sie noch einmal käme ... noch einmal mich bitten ... ja, was sage ich? ... ja, damals habe ich es gewußt, als ich abends nach Hause kam und sie fort war und nur ein Zettel auf dem Tisch ... ›Behalte dein verfluchtes Geld, ich will nichts mehr von dir‹ ... das stand darauf, sonst nichts ... Herr, ich bin drei Tage, drei Nächte gewesen wie ein Rasender. Den Fluß habe ich absuchen lassen und den Wald, Hunderte habe ich der Polizei gegeben ... zu allen Nachbarn bin ich gelaufen, aber sie haben nur gelacht und gehöhnt ... Nichts, nichts war zu finden ... Endlich hat mir einer Nachricht gesagt vom andern Dor f ... er habe sie gesehen ... in der Bahn mit einem Soldaten ... sie sei nach Berlin gefahren ... am selben Tage bin ich ihr nachgereist ... ich habe meinen Verdienst gelassen ... Tausende habe ich verloren ... man hat mich bestohlen, meine Knechte, mein Verwalter, alle, alle ... aber, ich schwöre es Ihnen, mein Herr, es war mir gleichgültig ... Ich bin in Berlin geblieben, eine Woche hat es gedauert, bis ich sie auffand in diesem Wirbel von Menschen ... und bin zu ihr gegangen ...«Er atmete schwer.
    »Mein Herr, ich schwöre es Ihnen ... kein hartes Wort habe ich ihr gesagt ... ich habe geweint ... auf den Knien bin ich gelegen ... ich habe ihr Geld geboten ... mein ganzes Vermögen, sie sollte es verwalten, denn damals wußte ich es schon ... ich kann nicht leben ohne sie. Ich liebe jedes Haar an ihr ... ihren Mund ... ihren Leib, alles, alles ... und ich bin es ja, ich, der sie hinabgestoßen hat, ich allein ... Sie war blaß wie der Tod, als ich hereinkam, plötzlich ... ich hatte ihre Wirtin bestochen, eine Kupplerin, ein schlechtes, gemeines Weib ... wie der Kalk war sie an der Wand ... Sie hörte mich an. Herr, ich glaube, sie war ... ja, sie war beinahe froh, mich zu sehen ... aber als ich vom Gelde sprach ... und ich habe es doch nur getan, ich schwöre es Ihnen, um ihr zu zeigen, daß ich nicht mehr daran denke ... da hat sie ausgespien ... und dann ...

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