Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Amokläufer

Der Amokläufer

Titel: Der Amokläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
Vom Netzwerk:
weil ich noch immer nicht gehen wollte ... da hat sie ihren Liebhaber gerufen, und sie haben mich verlacht ... Aber, mein Herr, ich bin immer wiedergekommen, Tag für Tag. Die Hausleute haben mir alles erzählt, ich wußte, daß der Lump sie verlassen hatte und sie in Not war, und da ging ich noch einmal hin ... noch einmal, Herr, aber sie fuhr mich an und zerriß einen Schein, den ich heimlich auf den Tisch gelegt hatte, und als ich doch wiederkam, war sie fort ... Was habe ich nicht getan, mein Herr, sie wieder auszuforschen! Ein Jahr, ich schwöre es Ihnen, habe ich nicht gelebt, nur immer gespürt, habe Agenturen besoldet, bis ichs endlich erfuhr, daß sie drüben sei in Argentinien ... in ... in einem schlechten HauseEr zögerte einen Augenblick. Wie ein Röcheln war das letzte Wort. Und dunkler wurde seine Stimme.
    »Ich erschrak sehr ... zuerst ... aber dann besann ich mich, daß ich, nur ich es sei, der sie da hinabgestoßen hatte ... und ich dachte, wie sehr sie leiden müsse, die Arme ... denn stolz ist sie vor allem ... Ich ging zu meinem Anwalt, der schrieb an den Konsul und sandte Geld ... ohne daß sie erfuhr, wer es gab ... nur daß sie zurückkäme. Man telegraphierte mir, daß alles gelungen sei ... ich wußte das Schiff ... und in Amsterdam wartete ich ... drei Tage zu früh war ich gekommen, so brannte ich vor Ungeduld ... Endlich kam es, ich war selig, wie nur der Rauch vom Dampfer am Horizont war, und ich glaubte es nicht erwarten zu können, bis er heranfuhr und anlegte, so langsam, langsam, und dann die Passagiere über den Steg kamen und endlich, endlich sie ... Ich erkannte sie nicht gleich ... sie war anders ... geschminkt ... und schon so ... so, wie Sie es gesehen haben ... und wie sie mich warten sah ... wurde sie fahl ... Zwei Matrosen mußten sie halten, sonst wäre sie vom Steg gefallen ... Sobald sie am Land war, trat ich an ihre Seite ... ich sagte nichts ... meine Kehle war zu ... Auch sie sprach nichts ... und sah mich nicht an ... Der Träger trug das Gepäck voran, wir gingen und gingen ... Da plötzlich blieb sie stehen und sagte ... Herr, wie sie es sagte ... so schmerzend weh tat es mir, so traurig klang es ... ›Willst du mich noch immer zu deiner Frau, jetzt auch noch?‹ ... Ich faßte sie bei der Hand ... Sie zitterte, aber sie sagte nichts. Doch ich fühlte, daß nun alleswieder gut war ... Herr, wie selig ich war! Ich tanzte wie ein Kind um sie, als ich sie im Zimmer hatte, ich fiel ihr zu Füßen ... törichte Dinge muß ich gesagt haben ... denn sie lächelte unter Tränen und liebkoste mich ... ganz zaghaft natürlich nur ... aber, Herr ... wie es mir wohltat ... mein Herz zerfloß. Ich lief treppauf, treppab, bestellte ein Diner im Hotel ... unser Vermählungsmahl ... ich half ihr, sich anzuziehen ... und wir gingen hinab, wir aßen und tranken und waren fröhlich ... Oh, so heiter war sie, ein Kind, so warm und gut, und sie sprach von Hause ... und wie wir alles nun wieder besorgen wollten ... Da ...« Seine Stimme wurde plötzlich rauh, und er machte mit der Hand eine Geste, als ob er jemanden zerbrechen wollte. »Da ... da war ein Kellner ... ein schlechter, gemeiner Mensch ... der glaubte, ich sei trunken, weil ich toll war und tanzte und mich überkollerte beim Lachen ... während ich doch nur so glücklich war ... oh, so glücklich, und da ... als ich bezahlte, gab er mir zwanzig Francs zu wenig zurück ... Ich fuhr ihn an und verlangte den Rest ... er war verlegen und legte das Goldstück hin ... Da ... da begann sie auf einmal grell zu lachen ... Ich starrte sie an, aber es war ein anderes Gesicht ... höhnisch, hart und böse mit einem Male ... ›Wie genau du noch immer bist ... selbst an unserem Vermählungstag!‹ sagte sie ganz kalt, so scharf, so ... mitleidig. Ich erschrak und verfluchte meine Peinlichkeit ... ich gab mir Mühe, wieder zu lachen ... aber ihre Heiterkeit war fort ... war tot ... Sie verlangte ein eigenes Zimmer ... was hätte ich ihr nicht gewährt... und ich lag allein die Nacht und sann nur nach, was ihr kaufen am nächsten Morgen ... sie beschenken ... ihr zeigen, daß ich nicht geizig sei ... nie mehr gegen sie. Und am Morgen ging ich aus, ein Armband kaufte ich, ganz früh, und wie ich in ihr Zimmer trat ... da war ... da war es leer ... ganz wie damals. Und ich wußte, auf dem Tisch würde ein Zettel liegen ... ich lief fort und betete zu Gott, es möge nicht wahr sein ... aber ... aber ... er lag doch dort ... Und darauf stand

Weitere Kostenlose Bücher