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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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Stau, mit den Scheibenwischern, die sich rhythmisch über die Windschutzscheibe schoben.
    Der Taxifahrer, ein schmaler junger Mann mit dichtem, schwarzem Haar, sah ernst und schweigend auf die Straße und ertrug die Tatsache, dass nichts voranging, mit unbeweglicherMiene und stoischer Ruhe. Irgendwann schafften wir es, zum Altstädter Ring durchzudringen.
    An einer Straßenkreuzung hatte ich plötzlich das Gefühl, die Gegend wiederzuerkennen. Ganz unvermittelt tauchte es auf. Es war, als hätte man einen Filter vom Objektiv genommen. Die Farben und Konturen, die vorher nur vage zu erkennen gewesen waren, traten nun schärfer und deutlicher hervor. Allein, dass ich
wusste
, dass es nicht mehr weit sein konnte, war ein überwältigendes Zeichen. Irgendetwas in meinem Gedächtnis hatte sich in Bewegung gesetzt.
    Anouk hatte den Kopf auf meine Schulter gelegt. Ihr Haar kitzelte meine Nase. Hinter uns ertönte wütendes Hupen. Unser Taxifahrer saß immer noch unbeweglich da, als könnte ihn nichts erschüttern. Draußen ging eine Frau vorbei, die mindestens neunzig sein musste. Ich sah ihr nach, wie sie, in einen dunkelbraunen Pelz gehüllt, über die Straße tippelte, einen winzigen Hund in pinkem Regencape hinter sich herziehend. Kurz darauf verschwand sie in der Menge auf dem Bürgersteig.
    Unser Wagen schob sich wieder ein paar Meter vor.
Und da war es:
das riesenhafte rosa Kaninchen, auf dessen Kopf eine blaue Maus saß, die wiederum einen giftgrünen Kanarienvogel trug. Ich kurbelte die Scheibe herunter und mit einem Mal lief vor meinem inneren Auge ein Kurzfilm ab. Ich sah mich eintreten in diese Kleintierhandlung. Ich schritt durch die Tür mit den unzähligen Hundefotos und beim Betreten des Geschäfts ertönte statt der Türglocke Hundegebell und Katzengejammer.
    Anouk musste die Veränderung meines Herzschlags gespürt haben. Vielleicht war mein Atem auch schneller geworden. Sie richtete sich auf und sah mich an.
    Ich konnte nur stammeln. »Tierhandlung Pink Rabbit & Co. Ich kenne … Ich war schon mal hier!«
    Eine zarte Röte überzog Anouks Gesicht, ein zittriges Lächeln hing in ihren Mundwinkeln und unvermittelt drückte sie mich heftig an sich. »Du wirst sehen, alles wird gut.«
    Sie wiederholte diese Worte wie eine Beschwörung. »Al les , alles wird gut.« Es kam mir vor, als wollte sie nicht nur  mich überzeugen, sondern auch und vor allem sich selbst.
     
    Das Taxi bog in eine Seitenstraße ein und ich erkannte noch mehr: das Gebäude aus hellem Sandstein, in dem unser Apartment lag, die gotischen Wasserspeier an Dach und Vordach, die Linden zwischen Bürgersteig und Straße, die jetzt, mit unzähligen Lichtern bestückt, in die beginnende Dämmerung hineinschimmerten. Es war wie in einem schönen Traum.
    Der Taxifahrer stellte unsere Koffer auf den Bürgersteig, nickte uns zu und fuhr davon, ohne ein einziges Wort gesprochen zu haben.
    Ich trug unsere Koffer die Vortreppe hinauf. Vor der Haustür blieb ich stehen und sah mich um. Mein Blick schweifte die Fassade hoch und wieder runter, dann über das schmiedeeiserne Treppengeländer und über die Fratzen der Wasserspeier links und rechts des Vordachs. Sie fauchten mich mit spitzen Eckzähnen und aufgesperrten Rachen an. Mein Blick wanderte weiter über die schwarz glänzend lackierte Tür mit dem Messingring, der von einem Löwenmaul gehalten wurde. Und noch bevor Anouk den Schlüssel ins Schloss steckte und die Haustür aufdrückte,
wusste
ich, dass im Treppenhaus schwarz-weiße Fliesen im Schachbrettmuster angeordnet waren. Und dass das Haus einen uralten schmiedeeisernen Aufzug besaß, der stillgelegt worden war.
     
    Unser Apartment lag im vierten und obersten Stock. Das Treppenhaus war schummrig, doch wir machten kein Licht und sahen stattdessen von jedem Treppenabsatz hinaus in die Lichterbäume, die verheißungsvoll und weihnachtlich glänzten.
    Je höher wir stiegen, desto mehr veränderte sich die Perspektive und desto stärker wurde das Gefühl, sich einem sicheren Ort zu nähern. Man sah dieselbe Welt mit immer größerem Abstand, lebte aber gleichzeitig in der beruhigenden Gewissheit, jederzeit wieder rasch in die summende  Geschäftigkeit der Großstadt zurückkehren zu können.
    Die Wände waren graugrün gestrichen. An einigen Stellen begann die Farbe abzublättern, der schwarz-weiß gesprenkelte Terrazzoboden wies kleine Löcher auf und der Handlauf des Geländers glänzte dunkel von Tausenden von Berührungen. In der Luft hing

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