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Der Andere

Der Andere

Titel: Der Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian DeLeeuw
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Rücken. Er erzählte mir, dass Claire ihn vor ein paar Wochen aus dem Kindergarten genommen habe, gleich nachdem James gegangen war, und dass seine Nachmittage nun öde und langweilig seien. Während er dalag, auf dem Boden neben mir, wandte er mir sein Gesicht zu und sagte, dass er froh sei, dass ich da wäre, um die Zeit gemeinsam mit ihm zu verbringen. Gerade wollte ich antworten, als Claire die Klinke zu ihrem Arbeitszimmer herunterdrückte. Ich vernahm das Geräusch quer durch das ganze Apartment – dieses matte, stumpfe Klacken, laut und vernehmlich wie ein Gewehrschuss –, sprang auf und war am anderen Ende des Flurs, Luke dicht dahinter, als sie ihn rief.
    »Da bist du ja!«, kicherte sie, als Luke um mich herum glitt, um sich zu zeigen. »Was hast du an? Sie sind in knapp einer Stunde hier.«
    Ich sah seine Jogginghose und das T-Shirt an. »Wer, die?«
    Das Telefon plärrte auf Claires Schulter. »Ja«, sprach sie in den Hörer, »aber Entschuldigungen interessieren mich nicht, Gregory.« Eine Klingel ging. »Vielleicht hast du Glück.« Sie legte den Telefonhörer auf und ging zur Hintertür, an der sie eine ausladende Blumenvase in Empfang nahm. Dann schob sie uns in Lukes Schlafzimmer und legte einen Blazer mit goldenen Knöpfen, eine graue Flanellhose, ein weißes Hemd und schwarze Slipper bereit. Die karierte Fliege ließ sie herabbaumeln wie eine tote Maus.
    »Was ist mit Daniel?«, fragte Luke.
    »Oh, ich bin sicher, alle finden, dass Daniel gut aussieht.« Es klingelte wieder, und Claire verschwand. Luke zog sich bis auf den Schlüpfer aus. Sein Körper war so blass und klein. Er glich einem Weichtier, dem man die Schale abgenommen hatte. Larvenähnlich. Ich war ein wenig angeekelt, aber auch fasziniert, so dass ich nicht umhinkonnte, seinen weichen Bauch anzufassen und zu erforschen. Er schlug meine Hand weg. »Lass das!« Schnell wurde die teigige Haut meinem Blick wieder entzogen, und ich war froh, sie nicht mehr ansehen zu müssen.
    Die ersten Gäste trafen kurz nach sechs ein. Sie trugen Anzüge und Manschettenknöpfe, Abendgarderobe und funkelnden Schmuck. Wir flitzten zwischen ihren Beinen hindurch und brachten fast einen Ober im Frack zu Fall, der Champagnerflöten auf einem Silbertablett transportierte. Ein Mann mit grauem Gesicht und gelben Zähnen beugte sich herunter, um Luke die Hand zu geben, aber Luke drehte sich zur Wand weg und weigerte sich, darauf einzugehen. »Nun, was erwartest du«, hörte ich eine Frau flöten. »Aus der Schule genommen und in dieses Apartment gepfercht.«
    Claire beriet sich mit einem dünnen Mann im schwarzen Anzug. Eine Nadel mit einer Aufschrift, die ich nicht lesen konnte, steckte an seinem Revers. Das Foyer füllte sich allmählich mit Erwachsenen. Ihr Geschnatter ballte sich in der Luft über unseren Köpfen zusammen. Um halb sieben stieß der dünne Mann mit einem goldenen Stift dezent an sein Sektglas und führte die Menge ins Wohnzimmer.
    Wie in allen anderen Räumen des Apartments waren auch hier die Wände mit Gemälden und Fotos vollgestopft, wobei sich die Rahmen zum Teil sogar berührten, damit Platz für möglichst viele Stücke vorhanden war. Eine Fotografie berührte die Seite eines ländlichen Stillebens. Eine Schriftzeichenrolle trennte zwei streng geometrische Drucke voneinander. Ich verstand die Anordnung nicht, ihr Chaos, ihre Gesetzlosigkeit, und ich konnte nicht ertragen, wie einzelne Stücke in der Menge verschwanden.
    Der dünne Mann stellte sich vor die Menge und begann zu reden. Ich bekam nicht mit, worüber er sprach – irgendetwas über ein Museum und dann wieder etwas von Dankbarkeit und großer Tradition. »Passiert so etwas öfter?«, wollte ich von Luke wissen. »Jeden Monat inzwischen«, erwiderte er. »Ich hasse das.« Wir standen hinter der Menge, und ich robbte mich vor, bis ich von dem hochherrschaftlichen Haufen vollständig eingesogen war. Niemand nahm Notiz von mir. Ich blickte hoch und sah, wie alle Gesichter dem dünnen Mann zugewandt waren, der noch immer redete. »Du lieber Himmel, was für ein Chaos«, tuschelte ein Mann in ein altersgrau behaartes Ohr. »Untergebracht wie drittklassige Familienschnappschüsse.« Ich glitt tiefer in die Menge hinein. »Sie ist gar nicht so reich, wie es aussieht«, hörte ich jemanden sagen.
    Der dünne Mann zeigte mit einem Laser-Pointer auf das Porträt eines weißgekleideten kleinen Mädchens. Claire, wo war Claire? Durch einen Wald von Beinen sah ich sie am anderen Ende

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