Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
trug.
Niemand wollte ein Risiko eingehen.
Sie waren einsatzbereit. Bracco atmete noch einmal tief durch. Die Zeit war gekommen. Er zählte seine Leute, die sich inzwischen um ihn geschart hatten, ein weiteres Mal ab: alle zehn anwesend.
»Okay, Jungs«, sagte er. »Leise und vorsichtig. Bringen wir’s hinter uns.«
Eztli ging durch die Bibliothek zu einem Tisch, auf dem sich Schalen mit Nüssen und Süßigkeiten befanden. Er griff nach einem kleinen Silberglöckchen und klingelte.
Kaum war das Klingeln verhallt, tauchte eines der uniformierten Dienstmädchen aus der Küche auf. Eztli hatte nie Wert darauf gelegt, sich ihre Namen einzuprägen, weil sie sonst wenig Kontakt untereinander hatten und die Mädchen meist nach einem Jahr an andere Familien aus dem Bekanntenkreis der Curtlees weitergereicht wurden. Er meinte sich zu erinnern, dass dieses Mädchen Linda hieß, wollte sie aber nicht beim Namen rufen, da er sich nicht absolut sicher war. Und Höflichkeit war eine der Eigenschaften, auf die Eztli großen Wert legte. »Bring bitte eine Flasche Cristal«, sagte er. »Die große Flasche aus dem Kühlschrank. Ach ja, und zwei zusätzliche Champagnergläser.«
Sie schaute zu den Curtlees hinüber, und Eztli hatte für einen Augenblick den Eindruck, als müsse sie damit kämpfen, in ihrem Gesicht nicht offene Abneigung zu zeigen. Er selbst kannte dieses Gefühl durchaus: Es war nicht immer einfach, ständig an die unüberbrückbare Kluft zwischen Herrschaft und Personal erinnert zu werden.
Als sich ihre Augen wieder trafen, gab er ihr ein aufmunterndes Kopfnicken, was sie – so wie sie’s gelernt hatte – mit einem kleinen Knicks beantwortete. Dann sah sie die fast leere Schale mit Nüssen, ging hinüber und nahm sie mit. Seine Augen folgten ihren wohl geformten Hüften, als sie durchs Esszimmer in die Küche zurückging. Für einen Moment fragte er sich, ob er seine eiserne Einstellung, die Finger vom Personal zu lassen, vielleicht doch einmal überdenken müsse. Er konnte sich durchaus vorstellen, für diese junge Frau eine Ausnahme zu machen.
Aber er verbannte den Gedanken so schnell, wie er gekommen war. Es würde kein gutes Ende nehmen. Man brauchte sich ja nur vor Augen zu führen, in welchen Schlamassel Ro dadurch geraten war: Obwohl der Vorfall nun so viele Jahre zurücklag, war sein Leben noch immer ein einziges Chaos. Es gab andere Frauen, mit denen er sich vergnügen konnte. Einen Mangel hatte es in dieser Beziehung nie gegeben.
Es dauerte gerade einmal dreißig Sekunden, bis die junge Frau mit dem in ein weißes Serviertuch eingeschlagenen Champagner zurückkehrte. Es machte sie offensicht lich nervös, die Flasche und die sündhaft teuren Gläser tragen zu müssen – die Gläser klackerten beim Tragen bedenklich gegeneinander –, und als sie das Tablett auf einem Nebentisch absetzte, atmete sie sichtlich erleichtert auf. Sie machte eine kleine Verbeugung, drehte sich um und ging wieder zur Küche.
Eztli holte die Flasche und hielt sie Ros Eltern vor. Während Cliff nur kurz nickte, sagte Theresa: »Ja, die sieht doch sehr gut aus.«
Die Unterhaltung drehte sich inzwischen um Sheila Marrenas und ihre jüngste Kolumne über Leland Craw fords Pläne, die Polizei auf Vordermann zu bringen. Eztli hörte nur mit einem Ohr zu, als er zum Tisch ging, die Folie und das Drahtgestell gekonnt entfernte, die Flasche – mit der Hand auf dem Korken – noch einmal kunstvoll drehte und sie dann mit einem dezenten Plopp öffnete, ohne etwas zu verschütten. Er goss zunächst ein Glas für Ro ein und brachte es zu seinem Sessel, um danach Cliff und Theresa zu bedienen und sich zum Schluss selbst ein halbes Glas zu genehmigen.
Er stand gerade bei Ro, als er bemerkte, dass das Dienstmädchen wieder zurückgekommen war, dieses Mal mit der Nussschüssel und einer silbernen Haube. Sie setzte die Schüssel geräuschvoll auf einem Nebentisch ab, schob einige andere Gegenstände zur Seite und stand dann für einen Augenblick unbeweglich da, beide Hände auf den Tisch gestützt, als könne sie sich nur in dieser Stellung aufrecht halten.
Eztli war das ungewöhnliche Verhalten nicht verborgen geblieben, und er trat einen Schritt auf sie zu, um sich zu überzeugen, dass alles okay mit ihr war. In diesem Moment nahm sie die Haube von der Schüssel, stellte sie aber so ab, dass der Blick auf die Schüssel versperrt blieb. Dann griff sie mit beiden Händen hinein und holte einen Gegenstand heraus, der in diesem Moment
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