Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
Er brauchte ein paar Sekunden, um sich wieder zu fangen. »Und was wollte er da?«
»Was meinst du denn?«
»Wahrscheinlich hat er jemanden gebraucht, mit dem er reden konnte.«
»Klar. Vielleicht wollte er aber auch nur ficken.«
»Das ist doch Scheiße! Woher willst du das wissen? Du hast doch keine Ahnung.« Es dauerte eine Weile, bis ihm die tiefere Bedeutung von Jons Aussage klar wurde. Er trat näher an das Bett, auf dem Jon inzwischen saß. »Willst du damit sagen, dass Dad unsere Mutter umgebracht hat? Willst du wirklich darauf hinaus? Wenn ja, kann ich dir nur sagen, dass das kompletter Schwachsinn ist.«
»Für dich ist es also Schwachsinn, dass er eine Äffäre hat und keiner darüber redet? Für mich klingt es eher wie das Motiv, Mom umzubringen.«
»Er brauchte überhaupt kein Motiv, weil er Mom nicht umgebracht hat – er hat sie geliebt!« Peter konnte die Tränen nicht unterdrücken. »Er hat sie geliebt, verdammt noch mal. Er liebte sie!« In einem plötzlichen Wutanfall schlug er seinem Bruder mit beiden Händen gegen die Schultern und stieß ihn zurück aufs Bett. »Fick dich!«
Jon zog seine Beine an und stieß sie mit voller Wucht gegen Peters Brust. Während Peter zu Boden ging, sprang er auf, stieß wilde Flüche aus und begann, unkontrolliert auf seinen jüngeren Bruder einzuschlagen. Peter rappelte sich hoch, rammte seinen Kopf in Jons Magen und presste ihn gegen die Wand. Eine der Bettlampen fiel um und ging zu Bruch.
Jon raffte sich wieder auf, schlug um sich und traf Peter im Gesicht. Der jüngere Bruder blutete heftig aus der Nase, sammelte all seine Kräfte und ging mit einem animalischen Schrei wieder auf Jon los. Sie rollten über das Bett und krachten auf einen der Mahagoninacht tische, der – zusammen mit der zweiten Lampe – unter ihrem Gewicht zersplitterte.
Michael Durbin schaute fassungslos auf das Chaos im Schlafzimmer und hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er auf die jüngste Katastrophe reagieren sollte. Er drehte sich zu Chuck, der neben ihm stand. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll – abgesehen davon, dass es mir furchtbar leidtut und ich für den Schaden natürlich aufkommen werde.«
»Um Geld geht es doch gar nicht.«
»Zum Teil schon.« Er warf einen weiteren Blick auf das Schlachtfeld. »Jesus Christus! Was ist bloß in sie gefahren?«
»Was ich von Peter erfahren habe«, sagte Chuck, »deutet darauf hin, dass es sich um dich gedreht haben muss.«
»Um mich? Warum denn um mich?«
Chuck legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Vielleicht solltest du dich mal mit Peter unterhalten.«
»Ich bin viel zu wütend, um mit Peter zu sprechen.«
»Wenn ich auf jemanden wütend wäre, Michael, dann wäre es wohl eher Jon.«
»Ich habe Wut genug für beide.« Ein weiterer Blick ins Zimmer. »Herr im Himmel! Es sieht aus, als wäre hier eine Bombe eingeschlagen. Und warum sollte ich auf Jon wütender sein?«
»Anscheinend hat er Peter erzählt, dass du irgendwas mit Janices Tod zu tun hast.«
Durbins Kopf sank herab, bis er fast seine Brust berührte. »Wie kann er so was nur denken? Mein eigener Sohn. Wie kann jemand, der mich auch nur ein bisschen kennt, auf den Gedanken kommen …?«
»Jon ist dir letzte Nacht gefolgt. Als du von hier losgefahren bist. Bis zu Liza Satos Apartment.«
Durbin drehte sich zu seinem Schwager um. »Um Gottes willen«, sagte er. »Du glaubst doch nicht etwa auch diesen Mist?«
Chuck schüttelte den Kopf. »Nicht die Bohne, Michael. Ich wiederhole nur, was dein Sohn gesagt hat.« Er nickte mit dem Kopf zum Zimmer. »Und was all das hier ausgelöst hat.«
»Ich musste mit jemandem sprechen«, sagte Durbin. »Ich habe dich und Kathy schon viel zu sehr in Anspruch genommen. Ich musste einfach mal raus, das ist alles.«
»Du schuldest mir keine Erklärungen. Für mich ist alles sonnenklar: Janice wurde von Ro umgebracht, und er war es auch, der deine Gemälde aufgeschlitzt hat.«
»Jon kann doch unmöglich glauben, dass ich meine eigenen Bilder zerstört habe.«
Plötzlich meldete sich eine neue Stimme aus dem Hintergrund. »Er glaubt es«, sagte Peter heiser. »Damit alles auf Curtlee hinzudeuten scheint.«
Durbin drehte sich zu seinem jüngeren Sohn um. Er trug noch immer das zerrissene und blutverschmierte Hemd. Sein Gesicht war geschwollen, die Augen gerötet, die Nase deformiert, möglicherweise gebrochen. »Peter.« Schockiert von seinem desolaten Erscheinungsbild, klang seine Stimme besorgter, als er es eigentlich
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