Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
Gewahrsam befindet.«
Lapeer setzte ihr Pokerface auf, atmete einmal tief durch, biss die Zähne zusammen und ging zum Eingang der Bibliothek.
Um 23 Uhr waren die Techniker von der Spurensicherung noch immer beschäftigt. Die Leichen waren in Leichensäcken hinausgetragen und zur Gerichtsmedizin am Justizgebäude gefahren worden. Da Bracco fließend Spanisch sprach und bereits am Tatort war, hatte Glitsky ihn offiziell mit der Untersuchung beauftragt. Bracco hatte Linda Salcedo bereits über ihre Rechte aufgeklärt sowie ein erstes kurzes Gespräch geführt – und war nun mit ihr auf dem Weg ins Revier, um ein ausführliches Verhör auf Video festzuhalten. Draußen hatte sich die Menschenmenge größtenteils aufgelöst. Da sie nicht zum Tatort vorgelassen worden waren, hatten sich der Bürgermeister wie auch Sheila Marrenas auf den Heimweg gemacht, ebenso wie die stoische Vi Lapeer.
Amanda Jenkins hatte mit ein paar Kollegen in einem Restaurant gesessen, als die Eilmeldung auf dem Fernsehbildschirm erschien. Inzwischen saß sie mit Glitsky am Tisch im Esszimmer, beide zu aufgedreht, um nach Hause gehen zu wollen.
»Unsere Verdächtige hatte offensichtlich von den früheren Vergewaltigungen erfahren«, sagte Glitsky. »Sie war also gewarnt, nahm die Warnung aber wohl nicht ernst genug.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Ro seit seiner Entlassung bereits ein weiteres Mädchen vergewaltigt hatte?«
»Nein, ein anderes Dienstmädchen hatte ihr wohl von den früheren Vorfällen erzählt und ihr empfohlen, auf der Hut zu sein.«
»Was sie aber nicht war.«
»Zumindest nicht konsequent genug. Er rief sie letzte Nacht unter dem Vorwand auf sein Zimmer, dass sie etwas sauber machen müsse …«
»Letzte Nacht? Er hat die Nummer letzte Nacht durchgezogen? Obwohl er wusste, dass wir ihm auf den Fersen waren?«
Glitsky nickte. »Er war sich sicher, uns abgeschüttelt zu haben. Er lässt Farrells Hund umbringen, schneidet uns die Eier ab und hetzt den Bürgermeister auf Lapeer. Die Zeit war gekommen, wieder einer häuslichen Beschäftigung nachzugehen.«
»Was für ein Arschloch. Sie geht also in sein Zimmer, obwohl man sie gewarnt hat?«
Glitsky zuckte mit den Schultern. »Er war fast schon einen Monat wieder zu Hause und hatte sich bis dahin nicht gerührt. Letzte Nacht ruft er sie an und sagt, dass sie was sauber machen müsse, also geht sie rauf und sieht, wie er nackt im Bett liegt und die Pistole auf sie richtet.«
»Dann ist sie also …?«
»Sie wollte nicht sterben.«
Jenkins schüttelte fassungslos den Kopf. »Am liebsten würde ich ihn noch mal umbringen.«
»Kann ich nachvollziehen.«
»Was ist mit den Schuhen?«
»Die spielten diesmal wohl keine Rolle. Zumindest hat sie Darrel gegenüber nichts davon erwähnt.«
»Okay, und woher hatte sie die Knarre?«
Glitskys Lippen formten ansatzweise ein Lächeln. »Das ist für mich das Beste an der Geschichte«, sagte er. »Er ließ sie in der Schublade in seinem Zimmer zurück – geladen! Er geht also mit seinem Kumpel Ez heute raus und nimmt sie nicht mit. Vielleicht redet er sich ja ein, dass es Linda gefallen hat – der Sex, nicht die Knarre. Oder vielleicht Sex mit einer Knarre. Sie geht also heute wieder in sein Zimmer, stellt sicher, dass die Waffe noch da ist – und wartet dann auf eine Gelegenheit. Und die hat nicht lange auf sich warten lassen.«
»Aber warum bringt sie dann die anderen um? Warum wartet sie nicht in seinem Zimmer, bis er nach Hause kommt?«
»Ich hatte Darrel gebeten, ihr diese Frage zu stellen. Sie sagt, es war Notwehr. Wenn man in ihrer Heimat ein Mitglied einer einflussreichen Familie tötet, werden sie deine eigene Familie ausradieren. Wenn sie Ro tötet, musste sie zwangsläufig auch die ganze Familie umbringen.«
Jenkins dachte eine Weile darüber nach. »Wenn man die Curtlees kennt, hat sie damit vielleicht gar nicht mal unrecht.«
»Gut möglich. Wie dem auch sei: Sie wusste, dass Eztli eine Waffe trug, also stand er ganz oben auf ihrer Liste. Und was Cliff und Theresa anging: Sie haben die ganze Zeit gewusst, was Ro anrichtete, aber einfach weggeschaut. In jedem Fall aber steckten sie mit ihm unter einer Decke und mussten deshalb auch dran glauben.«
»Jesus Christus«, sagte Amanda. »Ich wundere mich allerdings schon ein wenig, dass sie so gut mit einer Pistole umgehen konnte. Sie hat alle vier tödlich getroffen?«
»Gott war auf ihrer Seite.«
Amanda lehnte sich zurück, schaute zur Decke und schloss ihre
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