Der Atem des Rippers (German Edition)
schwieg eine Weile. Dann fragte er: „Was haben Sie gegen mich, Superintendent Thomas Arnold?“
Der Alte lachte auf, als hätte man ihm einen Witz erzählt. Eine Minute lang lachte er, dann ging sein Lachen in Schluchzen über. Er lehnte seinen Kopf gegen das Gitter und weinte.
„Es tut mir leid“, brachte Alan hervor und meinte es, wie er es sagte. „Sie kannten eine der Frauen … Es tut mir wirklich leid.“
Thomas Arnold würgte die Worte hervor wie ein Gift, das man ausspucken musste, damit es einen nicht tötete: „Ich sah Mary Kelly. Mary Jane Kelly. Ich war der erste, der die Tür öffnete. Ich kannte sie nicht. Ich kannte keine von ihnen. Aber das … spielte keine Rolle. Ich hätte sie nicht wiedererkannt, und wenn es meine Schwester gewesen wäre. Sie hätte jede andere Frau sein können. Jede hätte so ausgesehen wie sie, nachdem du sie durch den Fleischwolf gedreht hattest.“
„Ich verstehe“, sagte Alan leise. „Ich verstehe, was Sie damit sagen wollen.“
Er wandte den Blick ab und wartete. Mary weinte. Thomas Arnold weinte. Auf dem Tisch blitzte das Messer. Und er hatte Zeit. Hatte Zeit zu haben. Seit der kleine Kerl ihn niedergeschlagen hatte, spielte Zeit keine Rolle mehr für ihn.
„Sie haben sich geschworen, mich zur Strecke zu bringen“, begann Alan langsam. „Ich verstehe Sie sehr gut. Ich habe nur eine Bitte an Sie – lassen Sie Mary gehen. Sie fügen ihr schlimme Qualen zu. Sie möchte das nicht tun, möchte nicht mit dem … Ripper in einem Raum sein, und sie hat es nicht verdient, so gequält zu werden. Seien Sie vernünftig. Schicken Sie sie weg, bevor Sie mich töten …“
„Nein“, bellte der Mann. „Sie ist der Schlüssel zu deinem Geist. Ich möchte wissen, was in dir vorgegangen ist. Ich möchte wissen, was dich angetrieben hat. Ihr wirst du die Wahrheit sagen … nur ihr … weil sie eine von ihnen ist …“
„Sie würden es nicht verstehen, egal, ob ich es Ihnen oder ihr erzähle. Ich verstehe es selbst nicht mehr. Es steht in einem Tagebuch ausformuliert, das ich auf der Flucht vor dem kleinen Kerl weggeworfen habe, der mich niederschlug. Ein übler Kerl. Hat er das Mädchen in Mandalay auf dem Gewissen?“
Keine Antwort.
Mary schluckte mehrmals und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Sie schien den Weinkrampf überwunden zu haben und blickte mit tränenverschleierten Augen auf den Block mit den Fragen vor sich.
„Lies weiter“, befahl der Alte mit leiser Stimme.
Mary hustete. „Frage Elf. Warum haben Sie aufgehört zu morden?“
„Weil ich nach Burma ging“, lautete die rasche Antwort.
„Das ist nicht der wirkliche Grund, Jack!“, brüllte Thomas Arnold. „Du hättest dort drüben weitermachen können – du hättest weitergemacht. Der einzige Grund, warum du damit aufhören konntest, war, dass du das Herz von Mary Kelly hattest. Ein Herz. Alles andere hat dich nicht befriedigt, Jack – doch als du dieser armen Kreatur das Herz ausgerissen hattest …“
„Ich brauchte es … für Burma.“
„Du hast es zurückgebracht. Es war in deinem Reisekoffer. Perfekt konserviert.“
„Wo ist es jetzt?“
„Es ist nicht mehr hier, Jack. Vielleicht ist es schon auf dem Weg nach Amerika. Es macht eine Weltreise, das Herz der armen Mary Kelly.“ Die Züge hinter dem vergitterten Fenster verzerrten sich. „Ach, verflucht auch … wie seltsam das Schicksal spielt …“
„Ich verstehe nicht, Superintendent.“
„Es gab eine Abmachung. Ich kann es dir ja erzählen – du wirst keine Gelegenheit mehr haben, mir gefährlich zu werden. Wir sind drei. Drei Menschen, die sich geschworen hatten, Jack zu finden … den Ripper, um jeden Preis dieser Welt. Vor zehn Jahren trafen wir uns zum ersten Mal. Francis Tumblety … Robert Donston Stephenson … und ich. Die Namen könntest du kennen, wenn du dich mit dem Fall befasst hättest – aber offenbar warst du zu beschäftigt mit deinen wirren Vorstellungen von Organen … und von Frauen, die sterben mussten.“
„Francis Tumblety war ein Verdächtiger, nicht wahr? Ich glaube mich zu erinnern … Ein … amerikanischer Arzt, wenn ich ihn nicht mit einem anderen verwechsle …“
„Der einzige Mensch, den du je mit jemandem verwechselt hast, Jack, warst du selbst. Ja, du hast recht. Tumblety war Arzt, und ein Frauenhasser dazu. Er pflegte seinen erlesenen Gästen stolz die in Formalin konservierten … Geschlechtsteile von Frauen zu präsentieren. Der Yard hielt ihn lange für den Ripper,
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