Der Atlantis-Komplex
sich ständig, ich wäre so unsensibel. Natürlich verpassen sie dir keinen Kittel. Du kannst anziehen, was du willst, Jeans oder Jogginganzug oder −«
»Schon gut, Foaly«, sagte Holly. »Besten Dank auch.«
Der Zentaur trabte zur Tür des Krankenzimmers. »Gut, dann bis später. Und hüte dich vor den bösen Vieren.«
Artemis zuckte zusammen. Holly hatte recht, der Atlantis-Komplex war kein Scherz.
Holly setzte sich auf den Stuhl neben seinem Bett. Es war ein erstklassiges High-Tech-Bett mit Stabilisatoren und Druckausgleichskissen, aber dummerweise ein bisschen zu kurz.
»Du wächst, Artemis«, sagte sie.
Artemis lächelte schwach. »Ja, ich weiß, Holly. In mancher Hinsicht allerdings nicht schnell genug.«
Holly nahm seine Hand. »Du kannst versuchen dich aufzuregen, wenn du willst, aber es wird dir nicht gelingen. Das Beruhigungsmittel, das Foaly dir verpasst hat, reicht aus, um ein Pferd in die Knie zu zwingen.«
Beide schmunzelten einen Moment, doch Artemis war melancholischer Stimmung.
»Dieses Abenteuer war anders, Holly. Sonst gewinnt immer einer, und am Ende geht es uns besser. Aber diesmal sind so viele Leute gestorben, vor allem unschuldige, und niemand hat etwas davon. Und das alles aus Liebe. Ich kann Turnball nicht mal als Bösewicht sehen − er wollte doch nur seine Frau zurück.«
Holly drückte seine Hand. »Ohne uns wäre alles noch viel schlimmer gekommen. Dank deiner Hilfe ist Nr. 1 noch am Leben, ganz zu schweigen von all den Leuten hier im Krankenhaus. Und sobald du wieder ganz der Alte bist, können wir uns darum kümmern, mit deinem Ice Cube die Welt zu retten.«
»Gut. Das ist immer noch mein wichtigstes Projekt, allerdings haben sich meine Bedingungen leicht geändert.«
»Hmm. Das dachte ich mir schon.«
Artemis trank einen Schluck Wasser aus dem Becher auf seinem Nachttisch. »Ich will nicht wieder ganz der Alte werden. Mit meinem alten Ich habe ich mir den Atlantis-Komplex ja überhaupt erst eingehandelt.«
»Du hast ein paar schlimme Sachen gemacht, Artemis. Aber die würdest du heute nicht mehr tun. Lass sie los.«
»Geht das denn? Kann man Dinge einfach loslassen?«
»Es ist nicht einfach, aber mit unserer Hilfe kannst du es schaffen, wenn du es wirklich willst.«
Artemis verdrehte die Augen. »Zaubertränke und Therapie − Himmel hilf.«
»Professor Argon ist ein bisschen ruhmsüchtig, aber er ist gut. Wirklich gut. Außerdem kann dir Nr. 1 bestimmt einen Entgiftungszauber verpassen, der die letzten Funken aus deinem System vertreibt.«
»Meinst du? Das klingt schmerzhaft.«
»Mag sein. Aber du hast Freunde um dich herum. Gute Freunde.«
Artemis setzte sich auf. »Ja, wo ist eigentlich Mulch?«
»Was glaubst du?«
»Ich vermute, in der Küche. Tief in einem der Kühlschränke.«
»Da könntest du recht haben.«
»Und wie geht es Juliet?«
Holly stieß einen liebevoll-genervten Seufzer aus. »Sie hat ein Wrestling-Match zwischen sich und einem Riesenwichtel organisiert, weil der über ihren Pferdeschwanz gelästert hat. Ich tue momentan so, als wüsste ich nichts davon. Aber ich sollte eigentlich dafür sorgen, dass es nicht stattfindet.«
»Der Wichtel tut mir jetzt schon leid«, sagte Artemis. »Was ist mit Butler? Glaubst du, er wird mir je wieder vertrauen, Holly?«
»Ich glaube, das tut er bereits.«
»Ich muss mit ihm reden.«
Holly warf einen Blick in den Flur. »Lass ihm noch einen Moment Zeit. Er erledigt gerade einen schwierigen Anruf.«
Artemis konnte sich denken, wen Butler anrief. Er würde bald einen ähnlichen Anruf tätigen müssen.
»Übrigens«, sagte er und bemühte sich, lockerer zu klingen, als er sich mit dem Atlantis-Komplex im Schläfenlappen tatsächlich fühlte.
Ordne dies , sagte er.
Zähl jenes.
Hüte dich vor der Vier. Vier bedeutet Tod.
»Ich habe gehört, du hattest ein Date mit Trouble Kelp. Habt ihr zwei vor, in nächster Zeit ein Biwak aufzuschlagen?«
Butler hatte den Eindruck, dass er allmählich Platzangst bekam. Die Wände schienen immer näher zu rücken. Und dass der Flur, in dem er hockte, für Leute gebaut worden war, die nur halb so groß waren wie er, machte es auch nicht gerade besser. Der einzige Ort, wo er aufrecht stehen konnte, war die Sporthalle, und da konnte er im Moment kein privates Telefongespräch führen, weil seine kleine Schwester gerade damit beschäftigt war, einen Riesenwichtel windelweich zu schlagen, das Ganze natürlich in einer Riesenshow für die versammelten Patienten,
Weitere Kostenlose Bücher