Der Aufbewarier (German Edition)
Frau zu zerstückeln und die Teile in Berlin zu verstreuen, wenn er nicht ein Verbrechen vertuschen wollte. Bringen Sie mir den Kopf, dann kann ich vielleicht mehr dazu sagen.«
Rösen deutete auf den Koffer. »Und was ist damit?«
»Das gute Stück stand herrenlos auf Bahnsteig 8 des Lehrter Bahnhofs. Als der Bahnsteigwärter ihn öffnete, dürfte ihm ein gehöriger Schreck in die Glieder gefahren sein.
Teske macht eine Pause und fuhr dann im Tonfall eines Professors fort: „Fällt Ihnen bei den Beinen nichts auf, meine Herren?«
Daut und Rösen betrachteten die Gliedmaßen, zuckten aber nur mit den Schultern.
»Ich gebe zu, es ist eine gute Arbeit.«
Teske griff unter die Ferse des linken Fußes und hob ihn leicht an.
»Zählen Sie mal.«
Daut begriff es als Erster.
»Ein Zeh fehlt.«
Der Arzt ließ das Bein wieder fallen.
»Genauer der digitus pedis tertius oder auf gut Deutsch der mittlere Zeh. Wir haben es hier übrigens mit einer schon älteren, fachgerecht durchgeführten Amputation zu tun. Der Frau fehlte dieser Zeh sicher schon ein paar Jahre, womit ich Ihnen wenigstens ein körperliches Merkmal liefern konnte, das zur Identifizierung taugt.«
Der Doktor blickte die beiden Polizisten zufrieden an. Daut brummte: »War es das?«
»Ein bisschen Lob hätte ich jetzt schon erwartet für diese wichtige Erkenntnis«, antwortete Teske pikiert und deutete zum Ausgang: »Meine Herren, ich habe zu tun!«
Kaum hatten sie das Gebäude verlassen, zündeten sich Daut und Rösen Zigaretten an. Sie rauchten gierig, als hätten sie lange auf das beruhigende Nikotin verzichten müssen.
Rösen fand zuerst die Sprache wieder.
»Diese Leichenschnippler machen mich jedes Mal fertig mit ihrem Theater. Man sollte einfach auf die schriftlichen Berichte warten.«
Daut schnippte Asche auf die Erde.
»Lass mal gut sein, Ernst, die machen halt ihre Arbeit. Lass uns lieber überlegen, wie wir mit dem Fall vorankommen.«
»So es denn einer ist. Du hast doch Teske gehört. Er wollte sich nicht festlegen, ob wir es überhaupt mit einer gewaltsamen Tötung zu tun haben.«
»Ach komm, Ernst. Wie lange bist du bei der Mordermittlung? Wenn die Leiche nur in Teilen auftaucht, ist sie vorher nicht im Bett gestorben.«
»Hast ja recht, Axel. Also werde ich mal ins Präsidium fahren und mir die Vermisstenkartei vornehmen. Könnte mühselig werden, denn nach Luftangriffen werden immer viele als verschwunden gemeldet. Du befragst noch mal die Leute im Haus. Wenn wir Glück haben, kann sich ja doch jemand an eine Frau um die Vierzig mit einem fehlenden Zeh erinnern.«
Daut winkte ab: »Wer’s glaubt ...«
»Nun ja, mein Lieber, das ist halt eine Sisyphusarbeit wie gemacht für einen einfachen Schutzmann.« Rösen lachte und schlug Daut auf die Schulter. »Dafür lade ich dich später ins Rübezahl ein. Wird Zeit, dass wir mal wieder einen zusammen trinken. Komm, ich fahre dich nach Schöneberg.«
Auch diesmal bockte der alte P 4, und Rösen gelang es wieder nicht ohne Probleme und Fluchen, die Gangschaltung zu betätigen. Als sie die »Linden« passiert hatten, bat Daut Rösen anzuhalten. »Ich steige hier aus.«
»Du weigerst dich doch sonst immer, mit der U-Bahn zu fahren, weil dir da unten schlecht wird.«
Daut war schon aus dem Wagen gestiegen, beugte sich aber noch einmal hinein.
»Was muss, das muss, sagte mein Vater immer. Und ich muss hier noch etwas in Erfahrung bringen.«
Er schlug die Tür zu und ging davon.
Neun
Das Gespräch mit Charlotte hatte Carla gut getan. Charly war so ein fröhlicher Mensch, sie fügte sich einfach in das Unabänderliche und versuchte, aus allem das Beste zu machen. Carla hatte das Gefühl, dass sie mittlerweile der gute Geist der Weidtschen Bürstenmacherei war. Die Büros und Werkstätten waren ihre Welt, alles außerhalb dieser Mauern war ihr verschlossen. Zu groß war die Gefahr, von einer Streife aufgegriffen zu werden. Es gab in letzter Zeit immer häufiger Personenkontrollen, und ohne Papiere wäre sie sofort aufgeflogen. Weidt hatte zwar einmal angedeutet, dass er Ausweise besorgen wolle, aber das war eher eine vage Hoffnung, und Charly richtete sich lieber in der Realität ein. Wenn Not am Mann war, arbeitete sie in der Besenbinderei mit, am liebsten aber kümmerte sie sich um die Ablage und das Archiv oder unterstützte Weidts Sekretärin. Sollte dieser Wahnsinn jemals zu Ende gehen, würde sie eine gute Büroangestellte werden. Mit ihrer Fröhlichkeit steckte
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