Der Aufbewarier (German Edition)
hundertprozentig. Zeigten die Proteste der Frauen in der Rosenstraße etwa Wirkung?
Jetzt brauchte Daut doch einen Kaffee. Als er die Tür öffnen wollte, klopfte die Engelmann.
»Hier ist gerade etwas für Sie abgegeben worden.«
Die Witwe hielt Daut ein Päckchen entgegen und blieb, als er es entgegengenommen hatte, wie angewurzelt stehen.
»Haben Sie noch etwas von dem Bohnenkaffee, Frau Engelmann? Ich bin hundemüde und bräuchte dringend eine kleine Aufmunterung.«
Widerstrebend ging sie in die Küche. Daut öffnete vorsichtig das Paket. Es enthielt eine rot-weiße Schachtel mit der Aufschrift Mademoiselle Chanel No. 3 - Paris .
Er stellte den Karton vorsichtig auf den Tisch und öffnete das beigelegte Kuvert. Die malvenfarbene Karte besaß im oberen Drittel eine kunstvoll ausgeführte, goldene Gravur.
Zarah Leander - Lönö - Sverige
Mit schwungvoller Handschrift hatte sie geschrieben:
Für die Frau meines Helden.
Danke!
Zarah
Anmerkungen
»Der Aufbewarier« ist ein Roman, also fiktiv. Die Handlung sowie die meisten Figuren der Geschichte sind frei erfunden, auch der Mordfall Martha Grahn hat sich so nicht ereignet, wenn er auch ein historisches Vorbild hat, auf das ich später eingehe.
Einige Schauplätze, Personen und Ereignisse jedoch sind historisch bzw. Orten oder Menschen nachempfunden, die im Jahr 1943 existierten bzw. lebten. Trotzdem entspringen die Dialoge auch dieser »realen« Personen der Fantasie des Autors.
»Der Aufbewarier« kann insofern als rein fiktiver Roman gelesen werden. Für alle, die sich mehr für die historischen Hintergründe interessieren, gebe ich hier noch einige weitere Hinweise.
Die in Kapitel 2 erstmals erwähnte Massenverhaftung jüdischer Menschen wurde nach dem Krieg als »Fabrikaktion« bezeichnet. Dabei wurden die letzten bis dahin von der Deportation verschonten Berliner Juden verhaftet, die in kriegswichtigen Industrieunternehmen oder bei der jüdischen Kultusvereinigung zwangsbeschäftigt waren.
In Berlin dauerte die Razzia rund eine Woche. Gestapo und bewaffnete SS-Angehörige riegelten am Morgen des 27. Februar 1943 schlagartig etwa 100 Betriebe ab und transportierten die Verhafteten auf offenen Lastkraftwagen zu vorbereiteten Sammelstellen. Andere Juden, die durch den Judenstern kenntlich waren, wurden von der Schutzpolizei auf offener Straße verhaftet. Später durchsuchte die Gestapo Wohnungen und nahm die jüdischen Bewohner mit. Insgesamt wurden bei dieser Großrazzia in Berlin mehr als 8.000 Juden inhaftiert und in verschiedene Sammellager gebracht, darunter das in Kapitel vier erstmals erwähnte ehemalige Konzerthaus Clou in der Mauerstraße und das Gebäude der Jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße im Bezirk Mitte, in das alle in „Mischehe“ lebenden Juden bzw. sogenannte jüdische Mischlinge interniert wurden. Die meisten dieser sogenannten privilegierten Juden wurden später aus der Haft entlassen und entgingen der Deportation und Ermordung (zum sogenannten Rosenstraßenprotest gibt es weiter unten Erläuterungen).
Die meisten der in den anderen Sammellagern inhaftierten Juden wurden zwischen dem 1. und 6. März 1943 in fünf Transporten nach Auschwitz deportiert, zwei Drittel von ihnen wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet.
Insgesamt zeigte die Fabrikaktion aber, dass einige Berliner bereit waren, jüdischen Menschen zu helfen. Neueste Schätzungen gehen davon aus, dass sich rund 4.000 Berliner Juden der Verhaftung entziehen konnten. Viele von ihnen wurden allerdings später entdeckt, deportiert und ermordet. Nur etwa 1.500 Juden konnten sich in Berlin bis zur Kapitulation verbergen und überleben.
Im Zusammenhang mit der Fabrikaktion steht die als »Rosenstraßenprotest« berühmt gewordene Demonstration von Angehörigen der Inhaftierten, die im »Aufbewarier« eine zentrale Rolle spielt. Es handelte sich um die größte Protestdemonstration in der Zeit des Nationalsozialismus. In den Tagen nach dem 27. Februar demonstrierten ständig mehrere Hundert Frauen in der Rosenstraße und forderten lautstark die Freilassung ihrer Angehörigen.
Auch wenn die Geschichtswissenschaft zum Teil die Meinung vertritt, die in Mischehe lebenden Juden wären auch ohne diese Demonstrationen freigelassen worden, ist der Protest der Frauen ohne Zweifel ein leuchtendes Beispiel für mutigen Widerstand und Zivilcourage im NS-Staat.
Über die Demonstrationen in der Rosenstraße sind viele Bücher
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