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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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mit Dezentralisierung der
Geistesfunktionen in die Fußangeln der übersinnlichen Vitalität stürzten. Denn das Fehlen jeder
sichtbaren Hirnzentrale, gleichmäßiges Wohnen und Betätigen an verschiedensten Orten der Hirnnerven, zeigt
die Psycheenergetik als Abbild des Äthers allgegenwärtig ausgedehnt innerhalb des ihr zugewiesenen Organismus, ein
Sinnbild von Einheit in Vielheit. Die Experimentalpsychologie rennt nur dem Ich nach, verleiht aber wichtigtuerisch diesem
vor ihr hertanzenden Irrlicht den Namen Seele, sie sucht alldurchdringenden Sonnenstrahl in unterirdischem Keller statt im
Äther, während Seele als Ichbegriff undenkbar und einfach mit dem immateriellen Lebensprinzip (Elektronen)
identisch ist. Gehirnanatomie bedeutet nichts als Wohnungsuntersuchung, was den zeitweiligen unsichtbaren Mieter kalt
läßt, da er ja doch bald auszieht. Sie klopft als blinder Polyphem die Wände ab, um den Herrn Niemand zu
suchen. Schon dieser, das Ich, narrt den Sucher, das Echo höhnt: Du sagst ja selbst, du suchst Niemand. Doch den wahren
Jemand ahnt er in jeder Ecke, ohne den »Sitz« zu finden, an dem »er« arbeitet. Die immaterielle
Ausdehnung der Elektronen als Teil der Weltseele im Hirn suchen ist gerade so kindisch, wie das frühere Festhalten an
einer freien Ich-Seele. Wenn Erhaltung der Kraft für die Energie gilt (Mayers Wärmetheorie), so bewahrt auch die
Psyche ihre eigene unzerstörbare Kraftkonstante.
     

 
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    Aristoteles ließ bei seinen 10 Kategorien den Grundzügen »Stoff, Bewegung, Form« ein Endziel
folgen, das er nicht klarzumachen weiß. Das Fundament des Stoffes scheint heut mehr denn je auf Sand gebaut. Das vom
Araber Maimonides übernommene »unzerschneidbare« Atom als Urkörperahne der Allfüllung
enthüllte sich jüngst experimentell von sehr zerschneidbarer Seite. Da auch mit starren Atomen nichts für
psychische Bedingungen anzufangen ist, setzte Leibniz den Atombegriff in seelische Monaden um. Er ließ sich dabei auf
sozusagen Gleichstellung aller Monadeuhren ein, die ohne Einwirkung aufeinander die Stunde schlagen, nur bewegt vom
Normalzeitzeiger der Urmonade Gott. Solcher Gleichklang ohne Wechselbeziehung bleibt ein Unding, denn Monaden wechseln
natürlich ihre Lage wie Elementatome durch veränderliche Wärmestadien. Doch die organische Chemie schöpft
auch kein Fundamentalwissen aus der Retorte. Man kann die 64 Elemente, die man nun glücklich herausklaubte, nicht in
ihre Grundstoffe auflösen, Atomwägung bleibt für sinnlich Unwahrnehmbares illusorisch. Erdichtung des
Moleküls, d. h. der Atomverbindung gestand, daß Einzelatome nicht für sich selbst bestehen und sich
fortwährend durch Reibung mit Nachbaratomen verwandeln. Chemische Wahlverwandtschaft aber setzt einen psychischen
Prozeß des Wollens und Begehrens voraus. Da werden Ehefesseln abgestreift, alte Liebe rostet nicht, das Entfernte und
scheinbar Entgegengesetzte findet sich wieder in elektrischer Spannung von Positiv und Negativ. Der Kohlenstoff erhebt sich
im Verbrennungsprozeß zum Sinnbild organischen Lebens, Harnstoff wird Gleichnis der Gleichheit alles Animalischen mit
den Elementen selber. Doch die Schleimzelle als Keimzitadelle des Materielebens entweicht vorwitziger Neugier, man kann sie
nicht nachfabrizieren. Ihre dämonische Gewalt wird Medizinern in Bazillen, Agrariern im Samenkorn verdeutlicht.
Pflanzenstäubchen begehen Minneheldentaten, zwischen dunkelm Erdschoß und lichter Himmelsluft werden beim Reifen
der Neugeburt die sieben Arbeiten des Herkules vollbracht. Alle Elemente sind im Samenkorn enthalten, gewiß ebenso in
einstiger Urkeimzelle des Menschen und ihrem heutigen Aufbau (Paracelsus). Materialisierung arbeitet mit möglichster
Kraftersparnis nach einem einzigen Grundgesetz, doch unbegreiflich weit spannt sich dabei die individuelle Ungleichheit. Die
einen Bakterien sind gut, die andern bösartig, dienen Leben oder Tod nach eigenem Gefallen, individuelle psychische
Anreize durchziehen jede Naturstufe. Vagabundieren mancher Pflanzensporen gleicht dem Beute- und Minnesuchen der Tiere, neben
andern harmlosen Schwestern stehen holde Blumen als spitzbübisch gierige Insektenfänger. Pflanze und Tier als
Kohlenstoffverbindungen sind zugleich tier- und pflanzenähnlich, waschen sich die Hände als gegenseitige
Lebensassekuranz, jeder nährt sich von Abfällen des andern wie der Mensch von beiden. Doch wie verschieden
entfaltet sich die Psyche, je heftiger sich

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