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Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Sie säumten die Seiten des Raumes mit den weißen Säulen und der hohen Decke. Karede spürte das Chaos, und er hatte nicht vor, sie noch einmal entführen zu lassen. Chaos war immer dann am tödlichsten, wenn man darüber Vermutungen anstellte, was es infizieren konnte und was nicht. Hier in Ebou Dar hatte es sich in Gestalt einer Fraktion manifestiert, die Tuon das Leben nehmen wollte.
    Attentatsversuche hatte sie abgewehrt, seit sie laufen konnte, und sie hatte sie alle überlebt. Sie rechnete mit ihnen. In gewisser Weise blühte sie wegen ihnen sogar auf. Wie sollte man denn sonst wissen, dass man mächtig war, wenn keine Attentäter ausgeschickt wurden, um einen umzubringen?
    Aber Suroths Verrat ... In der Tat herrschte das Chaos, wenn sich die Anführerin der Vorläufer selbst als Verräterin erwies. Es würde sehr schwierig werden, die Welt wieder in Ordnung zu bringen. Vielleicht sogar unmöglich.
    Tuon drückte den Rücken durch. Sie hatte nicht erwartet, ausgerechnet jetzt schon zur Kaiserin zu werden. Aber sie würde ihre Pflicht tun.
    Sie wandte sich von dem Balkon ab und ging zurück in das Audienzgemach, um sich der Menge zu stellen, die sie erwartete. Genau wie die anderen Angehörigen des Blutes trug auch sie Asche auf den Wangen, um den Verlust der Kaiserin zu betrauern. Sie hatte wenig Zuneigung für ihre Mutter verspürt, aber eine Kaiserin brauchte auch keine Zuneigung. Sie sorgte für Ordnung und Stabilität. Tuon hatte gerade erst damit begonnen, die Bedeutung dieser Dinge zu verstehen, als sich diese Last auf ihre Schultern senkte.
    Das Gemach war breit und rechteckig; Kandelaber zwischen den Säulen und das durch den breiten Balkon hinter ihr einfallende, strahlende Sonnenlicht sorgten für Helligkeit. Tuon hatte befohlen, dass man die Teppiche entfernte, denn sie zog die hellen weißen Fliesen vor. Die Decke zeigte ein großes Wandgemälde mit Fischern auf dem Meer, mit in der klaren Luft fliegenden Möwen, und die Wände waren hellblau gestrichen. Vor den Kandelabern zu Tuons Rechten kniete eine Gruppe aus zehn Da'covale. Sie trugen durchsichtige Gewänder und warteten auf einen Befehl. Suroth war nicht unter ihnen. Um sie kümmerte sich die Totenwache, zumindest bis ihr Haar nachgewachsen war.
    Sobald Tuon den Raum betrat, gingen alle Bürgerlichen auf die Knie und berührten mit der Stirn den Boden. Die Angehörigen des Blutes knieten und neigten den Kopf.
    Auf der anderen Seite des Raumes, gegenüber den Da'covale, knieten Lanelle und Melitene in Kleidern, auf deren Röcken rote Rechtecke mit silbernen Blitzen prangten. Ihre angeleinten Damane knieten mit zu Boden gerichtetem Gesicht. Mehreren der Damane war Tuons Entführung unerträglich gewesen; während ihrer Abwesenheit hatten sie unstillbare Weinkrämpfe gehabt.
    Der Audienzstuhl war relativ schlicht. Ein Holzstuhl, dessen Armlehnen und Rückenlehne mit schwarzem Samt überzogen waren. Tuon setzte sich. Bekleidet war sie mit einem plissierten Gewand im tiefsten Meerblau, ein weißer Umhang fiel von ihren Schultern. Sobald sie saß, erhoben sich die Menschen in dem Raum aus ihren Positionen der Vergötterung - alle bis auf die Da'covale, die auf den Knien blieben. Selucia stand auf und trat neben den Stuhl, das goldblonde Haar zu einem Zopf geflochten, der an ihrer rechten Seite hing, die linke Kopfseite rasiert. Sie trug keine Asche, da sie nicht zum Blut gehörte, aber das weiße Band an ihrem Arm verkündete, dass sie - wie das ganze Kaiserreich - den Verlust der Kaiserin betrauerte.
    Yuril, Tuons Sekretärin und im Geheimen ihre Hand, stellte sich an die andere Seite des Stuhls. Die Totenwächter bauten sich lautlos um sie herum auf; ihre dunkle Rüstung schimmerte leicht im Sonnenlicht. In letzter Zeit waren sie ganz besonders beflissen mit ihrem Schutz. Tuon konnte es ihnen nicht verdenken, wenn man die kürzlichen Ereignisse betrachtete.
    Hier bin ich, dachte sie, umgeben von meiner Macht, Damane auf der einen und Totenwächter auf der anderen Seite. Und doch fühle ich mich nicht sicherer als in Matrims Gesellschaft. Wie seltsam, dass sie sich bei ihm sicher gefühlt hatte.
    Unmittelbar vor ihr, indirekt beleuchtet vom Sonnenlicht des Balkons, befand sich eine Abordnung des Blutes, von denen Generalhauptmann Galgan die höchste Stellung einnahm. Er trug heute eine Rüstung, der Brustpanzer war dunkelblau lackiert, die Farbe war dunkel genug, um beinahe schon schwarz zu wirken. Sein Kopf war an den Seiten glatt rasiert, und

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