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Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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ablegen, nur weil ihre Häscher besiegt worden waren. Sie würden diese Tracht ein Jahr und einen Tag lang tragen. Tatsächlich strapazierte ihre Anwesenheit hier die Grenzen dessen, was ihre Ehre erlaubte - damit gestanden sie das Leben ein, das sie vor ihrer Gefangennahme geführt hatten. Allerdings hatten sie zugegeben, dass die Existenz als Gai'schain im Shaido-Lager alles andere als normal gewesen war.
    Faile begrüßte sie mit einem Lächeln, entehrte sie aber nicht, indem sie sie mit dem Namen ansprach oder die Handsprache der Töchter benutzte. Allerdings konnte sie sich nicht davon abhalten, sie zu fragen: »Geht es euch gut?«, während sie von Chiad ein kleines Bündel entgegennahm.
    Chiad war eine wunderschöne Frau mit grauen Augen und kurz geschnittenem rotblonden Haar, das unter der Kapuze ihres Gai'schain -Gewandes verborgen lag. Die Frage ließ sie das Gesicht verziehen. »Gaul hat das ganze Shaido-Lager nach mir durchsucht, und Berichte besagen, er hätte zwölf Algai'd'siswai mit dem Speer besiegt. Vielleicht werde ich doch noch einen Brautkranz für ihn anfertigen müssen, sobald das alles hier vorbei ist.«
    Faile lächelte.
    Chiad erwiderte das Lächeln. »Er hat nicht damit gerechnet, dass einer der von ihm getöteten Männer ausgerechnet derjenige war, der Bain als Gai'schain hatte. Ich glaube nicht, dass es Gaul gefällt, dass wir ihm beide dienen.«
    »Dummer Mann«, sagte Bain, die größere der beiden. »Sieht ihm ähnlich, nicht aufzupassen, wo er mit dem Speer hinsticht. Er konnte einfach nicht den richtigen Mann töten, ohne auch noch aus Versehen ein paar andere töten zu müssen.« Beide Frauen kicherten.
    Faile lächelte und nickte; Aiel-Humor ging über ihren Horizont. »Vielen Dank, dass ihr das hier besorgt habt«, sagte sie und hielt das kleine Tuchbündel hoch.
    »Nicht der Rede wert«, sagte Chiad. »An diesem Tag arbeiteten zu viele Hände, also war es leicht. Alliandre Maritha Kigarin wartet bereits bei den Bäumen auf Euch. Wir sollten ins Lager zurückkehren.«
    »Ja«, fügte Bain hinzu. »Vielleicht will Gaul ja wieder den Rücken massiert haben oder Wasser gebracht bekommen. Er wird so wütend, wenn wir fragen, aber Gai'schain erringen Ehre nur durch den Dienst. Was sollen wir sonst tun?«
    Die Frauen lachten wieder, und beide schüttelten den Kopf, als sie mit raschelnden Gewändern zurück in Richtung Lager liefen. Der Gedanke, so eine Tracht noch einmal tragen zu müssen, ließ Faile zusammenzucken, auch wenn es sie nur an die Tage erinnerte, die sie Sevanna hatte bedienen müssen.
    Die hochgewachsene Arrela und die anmutige Lacile gesellten sich bei den Weiden wieder zu ihr. Die Töchter, die als ihre Leibwache fungierten, blieben zurück und passten aus der Ferne auf. Eine dritte Tochter trat aus den Schatten und gesellte sich zu ihnen, vermutlich von Bain und Chiad geschickt, um Alliandre zu beschützen. Die dunkelhaarige Königin stand vor den Bäumen und sah in ihrem kostbaren roten Gewand und den Goldkettchen im Haar wieder wie eine richtige Lady aus. Es war eine auffällige Aufmachung, als wäre sie entschlossen, die Tage als unfreiwillige Dienerin ungeschehen zu machen. Alliandres Gewand machte Faile unwillkürlich ihren Morgenrock bewusst. Aber sie hätte sich nichts anderes anziehen können, ohne Perrin zu wecken. Arrela und Lacile trugen nur die bestickten Hosen und Hemden, die bei den Cha Faile üblich waren.
    Alliandre hielt eine kleine Laterne mit vorgeschobener Blende, die nur wenig Licht spendete; es beleuchtete ihr jugendliches Gesicht und das dunkle Haar. »Haben sie etwas gefunden?«, fragte sie sofort. »Bitte, sagt mir, dass sie Erfolg hatten.« Für eine Königin war sie immer erstaunlich bodenständig gewesen, wenn auch etwas herrisch. Ihre Zeit in Malden schien Letzteres etwas gedämpft zu haben.
    »Ja.« Faile hob das Bündel. Die Frauen drängten sich um sie, als sie niederkniete. Das kurze Gras wurde von der Laterne angestrahlt und funkelte wie Flammenzungen. Faile öffnete das Bündel. Es enthielt nichts Außergewöhnliches. Ein kleines Taschentuch aus gelber Seide. Ein Ledergürtel mit einem eingestanzten Muster aus Vogelfedern. Ein schwarzer Schleier. Und ein schmaler Lederriemen, in dessen Mitte ein Stein eingeschnürt war.
    »Dieser Gürtel gehörte Kinhuin«, sagte Alliandre und zeigte darauf. »Ich habe gesehen, wie er ihn trug, bevor ...« Sie verstummte, kniete nieder und nahm ihn.
    »Der Schleier gehört einer Tochter«, sagte

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