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Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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wandte ihr den Rücken zu, kniete nieder und inspizierte die Wagenräder. Das Gefährt war eine stabile Konstruktion aus vom Alter gedunkeltem Hartholz. Es schien in gutem Zustand zu sein, aber er hatte gelernt, vorsichtig zu sein, wenn es um Ausrüstung aus Malden ging. Die Shaido lehnten Wagen und Ochsen nicht so rigoros ab wie Pferde, aber wie alle Aiel hielten sie viel davon, mit leichtem Gepäck zu reisen. Weder Karren noch Wagen hatten sie gewartet, und er hatte während seiner Inspektion mehr als nur einen Schaden entdeckt.
    »Der Nächste!«, brüllte er, als er die Nabe des ersten Rades überprüfte. Die Bemerkung war an die Menschenmenge gerichtet, die darauf wartete, mit ihm sprechen zu können.
    »Mein Lord.« Das war eine tiefe, raue Stimme, wie Holz, das gegen Holz schabte. Gerard Arganda, der Erste Hauptmann von Ghealdan. Er roch nach gut geölter Rüstung. »Ich muss auf das Thema unserer Abreise dringen. Erlaubt mir, mit Ihrer Majestät vorauszureiten.«
    Die »Majestät«, auf die er sich bezog, war Alliandre, die Königin von Ghealdan. Perrin arbeitete weiter an dem Rad; im Zimmermannshandwerk kannte er sich nicht so gut aus wie im Schmiedehandwerk, aber sein Vater hatte jedem seiner Söhne beigebracht, bei Wagen die Anzeichen für Probleme zu erkennen. Besser, die Mängel vor dem Aufbruch zu richten, als auf halbem Weg liegen zu bleiben. Er fuhr mit den Fingern über das glatte braune Holz. Die Maserung war deutlich sichtbar, und er suchte mit tastenden Fingern nach Rissen. Alle vier Räder sahen gut aus.
    »Mein Lord?«, fragte Arganda.
    »Wir marschieren alle zusammen«, sagte Perrin. »So lautet mein Befehl, Arganda. Den Flüchtlingen werde ich nicht den Eindruck vermitteln, dass wir sie im Stich lassen.«
    Flüchtlinge. Davon gab es mehr als einhunderttausend, um die man sich kümmern musste. Einhunderttausend! Beim Licht, das waren mehr Menschen, als im Umkreis der Zwei Flüsse lebten. Und er hatte die Aufgabe, jeden Einzelnen davon zu ernähren. Viele Männer verstanden einfach nicht, wie wichtig ein guter Wagen war. Er legte sich auf den Rücken und bereitete sich auf die Inspektion der Achsen vor, und das gab ihm einen Blick auf den bewölkten Himmel, der teilweise von Maldens in unmittelbarer Nähe befindlicher Stadtmauer versperrt wurde.
    Die Stadt war groß für eine Stadt so weit im Norden von Altara. Beinahe mehr Festung als Stadt, mit beeindruckenden Mauern und Türmen. Bis zum Vortag war das Land um diese Stadt die Heimat der Shaido Aiel gewesen, aber die waren nicht mehr da; viele waren getötet worden, andere geflohen, ihre Gefangenen befreit von einer Allianz aus Perrins Streitkräften und den Seanchanern.
    Die Shaido hatten ihm zwei Dinge hinterlassen: den Geruch von Blut in der Luft und einhunderttausend Flüchtlinge, um die man sich kümmern musste. Auch wenn er froh war, ihnen die Freiheit gebracht zu haben, hatte er Malden doch aus einem ganz anderen Grund befreit: um Faile zu retten.
    Eine andere Gruppe Aiel war auf seine Position zugekommen, aber sie waren langsamer geworden, hatten ein Lager aufgeschlagen und eilten nicht länger auf Malden zu. Vielleicht hatten vor der Schlacht fliehende Shaido sie vor dem großen Heer gewarnt, das Heer, das die Shaido trotz ihrer Machtlenker besiegt hatte. Anscheinend hatte diese neue Gruppe hinter Perrin genauso wenig Interesse daran, ihn anzugreifen, wie er sie.
    Das verschaffte ihm Zeit. Zumindest etwas.
    Arganda betrachtete ihn noch immer. Der Hauptmann trug seinen polierten Harnisch und hatte den Helm unter den Arm geklemmt. Der stämmige Mann war kein aufgeplusterter Offizier, sondern war aus den Rängen aufgestiegen. Er kämpfte gut und tat, was man ihm befahl. Meistens jedenfalls.
    »In diesem Punkt werde ich nicht nachgeben, Arganda«, sagte Perrin und zog sich unter dem Wagen über den feuchten Boden.
    »Könnten wir denn wenigstens Wegetore benutzen?«, fragte Arganda und ging auf die Knie. Sein graues, kurz geschorenes Haar berührte beinahe den Boden, als er unter den Wagen spähte.
    »Die Asha'man sind fast zu Tode erschöpft«, fauchte Perrin. »Und das wisst Ihr.«
    »Sie sind zu müde für ein großes Wegetor«, fuhr Arganda fort, »aber vielleicht könnten sie eine kleine Gruppe durchschicken. Meine Herrin ist von ihrer Gefangenschaft erschöpft! Ihr könnt doch nicht ernsthaft wollen, dass sie marschiert!«
    »Die Flüchtlinge sind auch erschöpft. Alliandre kann ja reiten, aber sie wird erst dann aufbrechen, wenn wir

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