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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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sichergestellt war, inklusive der künstlichen Beatmung.
    Ich drehte mich zu Alina um und sah sie an. Die Tatsache, dass sie seit unserer Flucht die Lider geschlossen hielt, schien mir ein eindeutiges Zeichen. Sie wollte sich abschotten. Wollte die visuelle Verbindung zu einer Welt, in der es perverse Psychopathen gab, die einem Menschenopfer abverlangten, endgültig kappen.
    »Hättest du es denn geschafft?«, fragte sie mich nach einer Weile.
    Was geschafft? Den Schalter umzulegen? Die Beatmungsmaschine abzustellen, damit das Licht wieder an- und die Tür wieder aufsprang? Die Frau zu töten, damit wir leben können?
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß. Natürlich war der armen Frau ohnehin nicht mehr zu helfen gewesen. Das wusste ich. Wie bei meiner Mutter hatten die intensivmedizinischen Geräte nicht ihr Leben, sondern nur noch ihr Sterben verlängert. Dennoch hatte mir der Mut gefehlt, zum zweiten Mal einen Menschen auf Verdacht zu töten. Auf Verdacht!
    Denn ich war mir zu keinem Zeitpunkt sicher gewesen, das Rätsel des Augensammlers richtig gelöst zu haben. Du kannst die Pumpe abstellen und gewinnen ... »Zum Glück mussten wir am Ende diese Entscheidung
    nicht fällen«, sagte ich, nahm Alinas Hand von meiner Schulter und setzte mich auf das Sofa, auf dem ich sie gestern Nachmittag zum ersten Mal vorgefunden hatte. Sie setzte sich neben mich und tastete vorsichtig mit den schmalen Fingern auf der Oberfläche des Tisches vor ihren Knien entlang. Ich schob einen schweren Kaffeepott, den ich vor meinem Telefonat für sie aufgesetzt hatte, in ihre Richtung. Sie zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts. Dann trank sie einen großen Schluck. Als sie die Tasse wieder absetzte, glänzten ihre Lippen in dem Schein der Kerze, die ich ebenso wie das Feuer im Ofen gleich nach unserer Ankunft angezündet hatte. Schließlich sagte sie: »Ja, zum Glück haben wir es auch so geschafft.« Meinen eindringlichen Warnungen zum Trotz hatte Alina in dem Keller des Bungalows nicht auf mich gehört. Sie hatte nach den Armen, den Händen und auch nach den Fingern der sterbenden Frau getastet und war dabei auf das kleine Kästchen gestoßen, in dem der Zeigefinger des Opfers steckte: ein photoelektrischer Pulsmesser, wie ihn Operationspatienten angelegt bekommen, damit der Herzschlag während des operativen Eingriffs überwacht werden kann. Alinas Überlegungen waren so einfach wie logisch gewesen. Allein das Abstellen der Beatmungsmaschine konnte den Tod der bedauernswerten Frau nicht garantieren. Erst das Fehlen des Pulses würde dem Augensammler die Gewissheit geben, dass das Opfer vollbracht war. Was den Umkehrschluss zuließ, dass man die lebenserhaltenden Geräte nicht abstellen musste, um die gewünschte Kettenreaktion auszulösen, von der ich mir den Weg zurück in die Freiheit versprach.
    Es hatte mehrere atemlose Sekunden gedauert, die überraschend reißfeste Folie über dem zerschundenen Körper zu zerstören und das Pulsmessgerät vom Finger der Frau zu entfernen. Schließlich, als es mir endlich gelungen war, geschah nichts. Überhaupt nichts.
    Es blieb dunkel, und auch das Dröhnen der Absaugpumpen hielt an. Doch dann, als ich kurz davorstand zu hyperventilieren, hörte TomTom auf zu winseln. Und es wurde still. Grabesstill.
    Wenig später öffnete sich das Schloss der Kellertür mit einem sanften Klicken, und das Beatmungsgerät pumpte weiter Luft in die Lungen der verwesenden Frau. Sie selbst schien von den Vorgängen um sich herum nichts mehr mitbekommen zu haben. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ihre ersten Reaktionen, die ich wahrgenommen hatte, als ich den Keller betreten hatte, willentlich oder nicht doch ein unkontrollierter Reflex gewesen waren. Noch während ich mit Alina an der Hand die Treppe hoch durch das Wohnzimmer aus dem Bungalow gestürmt war, um vor der Tür die kalte, von jeglichem Todesduft befreite Luft in die Lungen zu pumpen, wählte ich die Nummer der Feuerwehr. »Schnell. Hier stirbt jemand!«
    Dann waren wir weitergerannt durch den zaunlosen Garten, der an einem kleinen Wirtschaftsweg endete, hatten den laubverdeckten Hundekot ignoriert, auf dem wir ausrutschten, und waren TomTom gefolgt, der uns zu dem Platz führte, an dem wir unser Auto abgestellt hatten. Einen kurzen Augenblick war ich versucht gewesen, einfach aufzugeben. Mich zu stellen und Stoya alles zu erklären.
    Aber was? Dass mich die Visionen einer Blinden in die Folterkammer des Augensammlers

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