Der Autor und sein Werk
idealen Gesprächspartners zufällt. Ihm werden mitunter recht persönliche Konfessionen anvertraut (aber was ist nicht ›persönlich‹, wo es wesentlich wird?), ihn möchte man um Rat und Zuspruch bitten für sich und andere, die nahestehen – in einer Welt, die sonst so viele verschlossene Türen zeigt.
Konsalik betont, wie sehr ihm daran liegt, den an ihn herangetragenen unterschiedlichen Erwartungen gerecht zu werden, soweit ihm jenseits der Erfordernisse seines Schaffens Zeit und Kraft dafür bleiben: »Jede Zuschrift wird beantwortet!« Ohne die ständige unermüdliche Hilfe seiner Frau hätte er freilich vor den Fluten seiner Korrespondenz längst wohl kapitulieren müssen.
[Weyer/Enns, Oberösterr.] 15.1.1967
Sehr verehrter Herr Konsalik,
vor einiger Zeit las ich Ihren Roman ›Das geschenkte Gesicht‹. Ich finde jedoch, daß das Wort ›lesen‹ zu schwach ist, denn ich habe das Geschehen dieses Buches erlebt. Mit jenem nur zögernd leiser werdendem Nachhall, der ein wirkliches Erlebnis so unvergeßlich macht.
Nicht allein das erschütternde Thema des Buches beeindruckte mich zutiefst, es ist auch die Bewunderung für die enorme Einfühlungsgabe des Schriftstellers, die mich nachdenken ließ.
Wie glücklich sind Sie doch, daß es Ihnen gegeben ist, Worte zu finden für alles Fühlen. Und trotzdem – wieviel Trauer und Schmerz mögen Sie oft empfinden, um es erst wirklich sagen zu können.
Es ist doch wohl nicht so, daß man ein Schicksal erzählt, einen Menschen beschreibt – man muß seine eigene Persönlichkeit abstreifen und der sein, den man wiedergibt. Sicherlich mag die Phantasie des berufenen Schriftstellers so ausgeprägt sein, daß sein Geist nur einen Augenblick benötigt, die Romanfigur zu projizieren, doch es ist vorerst nur rohes Material, das geformt sein will.
Sie, Herr Konsalik, sind ein Schriftsteller, der seinen Romanfiguren so intensives Leben einhaucht, daß sie der Leser vor sich stehen sieht und meint, nur ein wenig die Hand ausstrecken zu müssen, um sie anfassen zu können. Ihre Romane sprechen die Sprache der Zeit. Die Gegenwart sieht sich im Spiegel Ihrer Darstellungskunst, um sich mitunter schaudernd vor der eigenen Fratze abzuwenden. Und nur dem Vollblutschriftsteller gelingt es, diesen Spiegel hochzuhalten.
Doch wieviel erschöpfende Arbeit geht dem wohl voraus. Und – vielleicht auch manchmal – wieviel Angst vor dem eigenen Mut? Verzweifeltes Sichkleinfühlen vor dem aufgetürmten Berg, den es abzutragen gilt und der den vollen Einsatz aller psychischen Kräfte verlangt.
Ich bewundere Sie, Herr Konsalik, doch ich beneide Sie nicht.
Herzliche Grüße … …
(Brief eines Pfarrers) 75 Karlsruhe 21, den 20.12.1974
Sehr geehrter Herr Konsalik!
Ich wage es kaum, Sie anzuschreiben. Meine Phantasie kann ermessen, wie sehr Sie mit Post überhäuft werden. Darf ich mich dennoch an Sie wenden? Es sind zwei Beweggründe: Einmal haben Sie in meiner Frau und mir Freunde Ihrer Bücher gefunden. Zur Zeit ›fressen‹ wir Band um Band. Wir besitzen, soweit wir informiert sind, alle Ihre Veröffentlichungen. Die angezeigten Neuerscheinungen sind bereits vorgemerkt. Wir haben nirgendwo Vergleichbares gefunden. Sie greifen aktuelle Themen auf, und das geschieht erstaunlich schnell. Ihre Bücher erscheinen zu einer Zeit, in der diese Fragen noch diskutiert werden (z.B. ›Die Drohung‹. – ›Ein Stern fiel vom Himmel‹. – ›Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen‹ u.a.). Dann verstehen Sie es meisterhaft, von der ersten bis zur letzten Seite die Spannung zu erhalten. Unvergleichlich ist, wie Sie durch den Szenenwechsel arbeiten. Man kann nur eines tun, das Buch schleunigst lesen, um mitzuerleben. Sie haben uns schon zu manchem guten Gespräch verholfen. In Predigt und Unterricht haben Sie mir geholfen. Ich konnte dort aus Ihren Büchern erzählen. Zuletzt geschah es im Gefängnis in Mannheim. Dort waren nach dem Skandal zunächst keine Gottesdienste mehr möglich. Jetzt habe ich den zweiten dort übernehmen können und mich auf ›Ein Stern fiel vom Himmel‹ bezogen, bzw. davon erzählt, wie Sie das Thema aufgegriffen haben. Die Gefangenen waren sehr interessiert.
Der zweite Grund meines Schreibens: Ich möchte gerne wissen, wie Sie arbeiten. Sie müssen Material sammeln, skizzieren und dann schreiben. Wie geschieht dies alles zeitlich? Wenn ich daran denke, wie mancher sich ein Buch abzwingen muß, komme ich bei Ihnen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich
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