Der Azteken-Götze
vermeiden, als er die Schönheit sah, die es sich bequem gemacht hatte und wahrscheinlich schlief. Sie war ein Mischling und trug helle Boxershorts, die im Licht silbrig glänzten und sogar wertvoll aussahen. Das Oberteil bestand aus einem Stück rotem Stoff, der dicht über den Brüsten aufhörte. Rechts und links der Füße standen weiße, hochhackige Schuhe.
Die Frau atmete regelmäßig. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, die Augen aber nicht so fest geschlossen wie bei einer tief schlafenden Person, so daß er davon ausgehen konnte, daß sie möglicherweise nur so tat.
Der G-man war müde. Er dachte daran, daß ihn diese Frau nichts anging, drehte sich um, wollte wieder gehen und hörte ihre Stimme, die nicht mehr als ein Flüstern war.
»Hi, Señor…«
Abe blieb stehen.
Er hörte ein leises Lachen. »Wollen Sie schon gehen, oder sollen wir noch einen Drink nehmen?« Er drehte sich um.
Das Mädchen hatte sich aufgerichtet. Jetzt schien das Licht auch in die offenen Augen, und der G-man konnte sehen, daß die Kleine grüne Pupillen besaß. Auch ungewöhnlich. Sie zupfte ihr Oberteil nach unten, wobei sie den halbrunden Ausschnitt erweiterte und Abe den Ansatz ihrer Brüste sehen konnte.
»Nein, ich will keinen Drink. Vielen Dank.« Er strich durch sein blondes Haar. Es war so verschwitzt, daß es auf dem Kopf klebte. Er brauchte unbedingt eine Dusche. Glücklicherweise war sein Zimmer damit ausgerichtet.
»Es braucht nicht dabei zu bleiben!« lockte die Kleine.
»Sorry, ich bin müde.«
»Ich heiße Inez.«
Er war schon auf dem Weg von ihr weg, drehte sich noch einmal um und sagte: »Wie schön.«
»Wir sehen uns bestimmt noch!« rief sie hinter ihm her.
»Kann sein.«
Der Schaukelstuhl begann wieder zu knarren, als Abe den Weg zur Treppe einschlug.
Sie sah nicht vertrauenerweckend aus, aber das dunkel gestrichene Holz hatte schon über Jahre gehalten und brach auch jetzt nicht unter ihm zusammen.
Abe Douglas erreichte den oberen Flur. Zwei Lampen brannten dort. Ihr Licht war so schlecht, daß sie die Flecken auf der Tapete gnädig verdeckten.
Sein Zimmer lag auf der rechten Seite und ziemlich in der Mitte des Ganges. Das Fenster führte zum Hof hinaus, es war dort zumindest ruhiger als auf der Straße.
Er schloß die Tür auf und zog sicherheitshalber seine Waffe, bevor er über die Schwelle trat. Auch jetzt traute er Sidda nicht über den Weg. Er hatte den Blick als Warnung verstanden und verfluchte innerlich den Umstand, der ihn noch länger zum Bleiben in diesem verdammten Kaff an der Grenze zwang.
Mochte New York noch so schlimm sein, er sehnte sich direkt nach dieser Stadt zurück.
Aus dem Raum schlug ihm die dumpfe Luft entgegen. Sie erinnerte ihn an einen feuchten Lappen, den man durch sein Gesicht wischte. Sie war kaum zu atmen.
Es brannte kein Licht.
Auch an der Rückseite des Hotels war es finster, so daß nicht der Hauch eines Widerscheins gegen die Scheibe fallen konnte. Ideal für eine Falle…
Es war keine, vorausgesetzt, er zählte nicht die Insekten hinzu, die trotz des Gitters am Fenster ihren Weg in das Zimmer gefunden hatten. Eine Klimaanlage gab es nicht, dafür den trüben Schein der Nachttischlampe, die ihr Licht über ein Einzelbett hinwegstreute, auf dessen durchgelegener Matratze ein grauweißes Laken lag.
Ein Schrank aus Rattan, Stühle aus billigstem Korb, ein kleiner Tisch, die Nische mit dem Perlenvorhang, hinter dem die Dusche und ein Toilettenbecken lagen. Auch ein kleines Handwaschbecken hatte noch Platz gefunden. Das ehemals weiße Porzellan war im Laufe der Zeit vergilbt, hatte auch Risse bekommen. Irgendwann würde es zusammenbrechen.
Er schaute auch hinter den Duschvorhang.
Niemand wartete, und er schüttelte den Kopf über sein eigenes Mißtrauen. Besser als mit geschlossenen Augen in die Falle zu laufen!
Nach dieser Devise lebte Abe und war noch am Leben. Er schloß die Tür, verschloß sie und warf den Schlüssel auf den Nachttisch.
Dann ging er in die schmale Kabine. Am Tag war der Wasserdruck nicht besonders gewesen. Vielleicht hatten auch zu viele Gäste gleichzeitig geduscht. Nun hoffte Abe, sich nicht mehr unter ein Rinnsal stellen zu müssen.
Er zog sich aus, was nicht einfach war, denn alles klebte an seinem Körper.
Nackt ging er zurück ins Zimmer und holte aus dem Koffer ein frisches Hemd und eine andere Hose.
Er drehte die Dusche auf.
Erst gluckerte es, dann fing es an zu rauschen, und schließlich prallte das Wasser aus den
Weitere Kostenlose Bücher