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Der Ball spielende Hund

Der Ball spielende Hund

Titel: Der Ball spielende Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Bett ging. Ein grimmiges Lächeln trat auf ihre Lippen, als sie sich an den längst vergangenen Vorfall erinnerte. Der Schlüssel war nach Papas Tod gefunden worden, und als man den Schrank aufgesperrt hatte, waren unzählige Kognakflaschen zum Vorschein gekommen! Aber gerade solche Kleinigkeiten konnten weder Minnie Lawson noch die Schwestern Tripp wissen, und man musste sich fragen, ob nicht doch etwas an diesem Spiritismus war…
    Schlaflos lag sie in ihrem Himmelbett, aber von einem Schlafmittel wollte sie nichts wissen, hatte sie nie etwas wissen wollen. Das war für Schwächlinge und Wehleidige. Oft, wenn sie keinen Schlaf fand, stand sie wieder auf und ging lautlos durchs Haus, nahm ein Buch zur Hand, rückte die Nippfiguren zurecht, ordnete die Blumen in einer Vase anders oder schrieb einige Briefe. In diesen Mitternachtsstunden hatte das Haus für sie etwas Lebendiges. Diese nächtlichen Streifzüge waren ihr nicht unwillkommen. Es war, als begleiteten sie die Schatten ihrer Schwestern Arabella, Matilda und Agnes; der Schatten ihres geliebten Bruders Thomas, wie er war, bevor er «dieser Person» in die Klauen geriet; sogar der Schatten General Arundells, des Haustyrannen mit den bezaubernden Umgangsformen, der seine Töchter anbrüllte und unterdrückte und auf den sie trotzdem immer unbändig stolz gewesen waren. Was spielte es für eine Rolle, dass es Tage gegeben hatte, wo er sich «nicht ganz wohl fühlte», wie die Töchter es beschönigend genannt hatten?
    Sie musste wieder an den Bräutigam ihrer Nichte denken. «Der wird wohl nie trinken! Nennt sich einen Mann und trinkt Sirup bei Tisch! Und ich hatte eine Flasche von Papas Portwein geöffnet!»
    Charles hatte dem Portwein gebührend Ehre erwiesen. Oh, wenn man Charles nur trauen könnte! Wenn man nicht wüsste, dass er…
    Ihre Gedanken schweiften ab; sie ließ die letzten Tage im Geist an sich vorüberziehen. Irgendetwas, sie wusste nicht was, beunruhigte sie leise…
    Miss Arundell setzte sich auf und sah beim Schein des Nachtlichts, dass es ein Uhr war. Ein Uhr, und sie hatte nicht die geringste Lust zu schlafen. Sie stand auf, fuhr in die Pantoffeln und hüllte sich in ihren warmen Schlafrock, um ins Erdgeschoss zu gehen und die Einkaufsbücher abzuschließen, damit sie morgen die Rechnungen bezahlen konnte.
    Wie ein Schatten glitt sie aus dem Zimmer über den Flur, wo die ganze Nacht eine kleine Lampe brannte. Sie ging zur Treppe, streckte die Hand nach dem Geländer aus, und dann stolperte sie unerklärlicherweise, versuchte vergeblich, sich im Gleichgewicht zu halten, und fiel kopfüber die Stufen hinunter. Der Lärm des Sturzes, der Schrei, den sie ausstieß, weckte das ganze Haus. Türen öffneten sich, Lichter flammten auf. Miss Lawson schoss aus ihrem Zimmer neben dem Treppenabsatz. Mit fassungslosen, schrillen Rufen hastete sie die Stufen hinunter. Nacheinander tauchten die anderen auf, Charles gähnend, in einem extravaganten Schlafrock; Theresa in dunkler Seide; Bella in marineblauem Kimono, den Kopf voll Lockenwickler.
    Benommen und verwirrt lag Miss Arundell zusammengekauert auf den Dielen. Die Schulter und der Knöchel taten ihr weh – ihr ganzer Körper krümmte sich vor Schmerz. Es kam ihr zum Bewusstsein, dass Menschen neben ihr standen, dass die alberne Minnie weinte und zwecklose Gebärden machte; sie gewahrte den betroffenen Ausdruck in Theresas dunklen Augen und sah Bella, die mit offenem Mund dastand; sie hörte Charles wie von fern sagen:
    «Der verfluchte Ball! Der Hund muss ihn liegen gelassen haben, und sie stolperte darüber. Seht ihr? Hier ist er!»
    Und dann spürte sie, dass ein Sachverständiger neben ihr kniete und sie mit sicheren Griffen untersuchte. Welche Erleichterung!
    Dr. Tanios sagte fest und beruhigend: «Nein, nichts ist geschehen. Nichts gebrochen… Nur der Schock und ein paar Schrammen. Sie hat Glück gehabt.»
    Er hieß die Umstehenden zurücktreten, hob die alte Dame behutsam auf und trug sie in ihr Schlafzimmer hinauf, wo er eine Minute lang ihre Pulsschläge zählte. Dann nickte er und beauftragte Minnie, die noch immer weinte und dauernd im Weg stand, Kognak und eine heiße Wärmflasche zu holen.
    Miss Arundell war Tanios in diesem Augenblick sehr dankbar. Sie fühlte sich benommen, zerschlagen und von Schmerzen gequält, und es tat wohl, sich in geschulten Händen zu wissen. Er flößte Sicherheit und Vertrauen ein, wie man es von einem Arzt erwartete.
    Aber etwas anderes – irgendetwas, das

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