Der Baron und die widerspenstige Schöne
belegter Stimme. „Du wirst uns alle sehr stolz machen.“
Luke blickte auf den imposanten Eingang von Prestbury House. Fackeln brannten zu beiden Seiten des massiven Portals, und Lakaien in Livree halfen den Herrschaften aus den Kutschen, um sie hernach die Stufen hinauf zur prachtvollen Eingangshalle zu geleiten, die von hohen Marmorsäulen geziert wurde.
Ein letztes Mal zupfte er seine Manschetten zurecht, bevor er sich der langen Reihe von Gästen anschloss. Als er das Haus betrat, drang von den Empfangsräumen im ersten Stock das Gewirr vieler Stimmen und der Klang mehrerer Violinen zu ihm. Er stieg die Prunktreppe hinauf, an deren oberem Treppenabsatz Lady Prestbury bereitstand, um die eintreffenden Gäste zu begrüßen. Lächelnd hieß sie ihn willkommen.
„Cousin, welche Ehre, dass du meine kleine Gesellschaft besuchst.“
Luke beugte sich über ihre Hand. „Ich habe es dir doch versprochen.“
„Nun, aber wie oft haben dich dann im letzten Augenblick andere, weit aufregendere Vergnügungen vom Kommen abgehalten?“ Sie lachte.
Er stimmte in ihr Lachen in. „Vielleicht habe ich mich ja zum Besseren gewandelt, Letty. Das ist nicht gänzlich unmöglich.“
Sie zwinkerte ihm zu. „Wohl wahr, Luke, aber doch höchst unwahrscheinlich. Ich weiß ohnehin, was dich hierher geführt hat.“
„Ach tatsächlich?“
„Ja. Nämlich allein die Neugier. Du willst dir die frisch in London eingetroffene Debütantin ansehen.“
Rasch schaute er zu Boden, damit sie nicht in seinen Augen las, wie recht sie mit dieser Vermutung hatte. „Ach ja?“, sagte er leichthin, sich eine unsichtbare Fluse vom Frack streifend. „Und wer soll das sein?“
„Das weißt du sehr gut, Cousin“, erwiderte Lady Prestbury und gab ihm mit dem geschlossenen Fächer einen neckischen Klaps auf den Arm. „Broxteds Nichte, natürlich. Miss Rivington. Wir alle waren erpicht darauf, sie kennenzulernen, als wir hörten, er habe vor, sie in die Gesellschaft einzuführen. Zehntausend Pfund hat er dem Küken als Mitgift ausgesetzt. Und als ob das nicht längst genug wäre, die Aufmerksamkeit eines jeden jungen Mannes in der Stadt zu erregen, ist das Mädchen obendrein eine wahre Schönheit. Aber sei gewarnt, Luke, lass die Finger von ihr. Lady Broxted hat mir selbst erzählt, dass ihr Gatte große Pläne für seine Nichte hegt. Er wird nach einem Gemahl von höherem Stand Ausschau halten und sich nicht mit einem einfachen Baron zufriedengeben.“
„Das steht ihm natürlich frei. Indes ist dies kein Grund für mich, darauf zu verzichten, ihre Bekanntschaft zu machen.“
„Na schön, wie du meinst, geh nur in den Saal.“ Lady Prestbury machte eine scheuchende Bewegung mit den Händen. „Aber du vergeudest deine Zeit, Cousin.“
Nach einer galanten Verbeugung betrat Luke den Ballsaal. Es war also bereits entschieden, dass die schöne Miss Rivington zu gut für ihn war. Nun, möglicherweise dachte sie ja anders darüber. Er ließ seinen Blick durch den Saal schweifen. An der Wand standen einige junge Männer, die mit unverhohlener Bewunderung auf die Tanzfläche starrten. Luke folgte ihrem Blick und sah, dass ihre Augen auf ein zierliches, elegant gekleidetes Geschöpf gerichtet waren.
Das musste Miss Rivington sein.
Sein Herz setzte einen Schlag lang aus. Sie war bezaubernd. Rosen zierten wie Sterne am Nachthimmel ihr dunkles Haar, das in anmutigen Locken ihr Gesicht umschmeichelte. Das weiße Musselinkleid umfloss sie beim Tanzen und betonte ihre schlanke Figur äußerst vorteilhaft. Sie lachte, strahlte vor Vergnügen. Nun wusste er, dass seine Entscheidung, Malberry im vergangenen September zu verlassen, richtig gewesen war, obgleich er sich nur schwer dazu hatte überwinden können. Indes gehörte sie hierher, in die feine Gesellschaft, wo jeder ihre Schönheit bewundern konnte. Sie sah so glücklich aus. Als die Musik verklang, blieb sie stehen, um lachend mit einem anderen jungen Paar zu plaudern, und er unterdrückte einen Seufzer. Seine Vermutung, sie würde ihn bald vergessen haben, hatte sich also bestätigt. Sie bewegte sich so natürlich in dieser Umgebung, als hätte sie nie ein anderes Leben gekannt. Er freute sich aufrichtig für sie und wollte ihr ganz bestimmt keinen Grund zur Annahme geben, dass er ihr dies alles missgönnte.
Carlottas Selbstvertrauen wuchs mit jedem Tanz. Ihre Musselinrobe war federleicht, die Komplimente ihrer Tanzpartner berauschten sie. Der Abend bereitete ihr großes Vergnügen, weshalb
Weitere Kostenlose Bücher