Der Bastard und die Lady
„Glaubst du wirklich, dass Liebe so funktioniert? Wie eine Waffe? Eine Schwäche? Glaubst du wirklich, dass die Liebe entweder einen Schurken oder ein Opfer aus dir macht? Das ist so traurig.“
„Aber ich brauche mir keine Sorgen zu machen, weil du mich eines Besseren belehrst? Wobei du sicherlich aus deinem reichen Erfahrungsschatz schöpfst.“
„Jetzt wirst du sarkastisch. Es ist einfacher, böse auf mich zu sein, wie?“
Er hätte beinahe Ja gesagt, hielt sich aber noch rechtzeitig zurück. „Was soll ich deiner Meinung nach stattdessen sagen, Chelsea? Dass ich nicht an die Liebe glaube? Denn ich würde dir sagen, dass du dich irrst, ich glaube durchaus, dass Liebe existiert. Und ich glaube außerdem, dass sie oft mehr Schaden als Gutes anrichtet.“
„Weil ich zu Thomas gehen und ihn um Verzeihung bitten wollte, wenn er mir verspräche, dir nichts anzutun? Aber verstehst du denn nicht? Ich habe dir das angetan, ich habe dich in diese unerträgliche Situation gebracht. Es ist nur gerecht, dass ich versuche, meinen Fehler wiedergutzumachen.“
„Zum Teufel damit! Noch vor ein paar Tagen wäre dir völlig egal gewesen, was aus mir wird, solange du nur bekommen hättest, was du wolltest.“
„Ja, gut, das habe ich zugegeben, so scheußlich und egoistisch es auch klingt. Das war damals, Oliver. Vorher. Aber jetzt bin ich …“
„Jetzt liebst du mich. Ist das nicht wunderbar? Und zum Beweis willst du dein Leben wegwerfen. Nein, Chelsea, im Grunde lieferst du damit nur den Beweis für meine Behauptung.“
Sie weinte jetzt unverhohlen. „Du verdrehst alles, was ich sage!“
„Das gelingt mir nur, weil keiner von uns beiden die leiseste Ahnung hat, was Liebe ist. Oder, Chelsea? Ich habe mit dir geschlafen. Ich habe dir nicht mehr gegeben, als jeder andere Mann dir hätte geben können. Gestehe mir bitte wenigstens zu, dass ich das weiß. Wir haben Freude aneinander gehabt. Das ist etwas viel Grundsätzlicheres als Liebe. Für das, was ich dir gegeben habe, opfert man sich nicht, wirft man sein Leben nicht weg – man geht und sucht einen anderen Mann, der einen befriedigt.“
Langsam stand Chelsea von der Fensterbank auf und ging auf ihn zu. Ihr Blick war kalt wie blaues Eis.
„Gut, Oliver“, sagte sie ruhig, unheimlich ruhig. „Wenn das alles ist, für mich, für dich – befriedige mich. Jetzt gleich. Benutze mich einfach, wie ich dich benutze, und wir beide wissen, dass es mehr nicht ist.“
Sie hatte ihn auf die Probe gestellt. Sie durchschaute ihn vollends. Herrgott, sie war großartig!
„Chelsea“, sagte er beinahe flehentlich. „Lass das.“
„Was soll ich lassen? Eben noch hast du angedeutet, dass wir bis zu Pucks Rückkehr Zeit genug haben. Zeit haben wir immer noch. Ich muss sicher noch sehr viel darüber lernen, wie eine Frau … befriedigt werden kann. Und du bist so ein genialer Lehrer, nicht wahr? Nicht? Tja, dann sollte ich mir vielleicht einfach einen anderen suchen. Nach deinen Worten ist ja schließlich ein Mann so gut wie der andere. Aber, Oliver, keine Sorge, ich mache den gleichen Fehler nicht zwei Mal. Er würde mir genauso gleichgültig sein, wie du glaubst, dass ich dir gleichgültig bin.“
„So habe ich es nicht gemeint, und das weißt du auch.“
„Ach? Verdrehe ich jetzt dir die Worte im Mund? Wie hast du es dann gemeint, Oliver? Sag’s mir.“
Sie brachte ihn völlig durcheinander. Er selbst brachte sich völlig durcheinander. „Ich will nicht, dass du mir deine Liebe schenkst. Nicht jetzt, noch nicht“, gestand er leise. „Ich weiß nicht, was ich damit tun soll, und ich weiß nicht, wie ich sie erwidern kann. Wir beide haben noch einiges zu lernen, Chelsea, und wenn wir Glück haben, haben wir Zeit zu lernen. Wenn ich dir sage, dass ich jeden Mann, der es wagt, dich anzufassen, umbringen würde und dass mein Leben vorbei wäre, wenn du mich verlassen solltest – würde das erst einmal reichen?“
Sie legte die Hand an seine Wange. „Ja, Oliver, ich denke, das reicht erst einmal. Und ich verspreche dir, dass ich dich nicht verlasse. Ich werde jeden Gedanken daran, mich zu opfern, um dich vor Thomas’ Zorn zu schützen, ganz und gar vergessen. Vielleicht, weil ich dich liebe, oder vielleicht nur, damit wir nie wieder derartig streiten.“
„Und das ist ein Versprechen, der letzte Teil zumindest, und nicht nur eine Einverständniserklärung?“
„Nur, wenn du mich küsst“, sagte sie. Im selben Moment drehte sich ein Schlüssel im Schloss,
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