Der Bastard und die Lady
Es liegt auf dem Land von Blackthorn, wir gehen also nicht zu sehr an die Öffentlichkeit.“
„Die Küchenvorräte sind erschöpft?“, fragte Chelsea, überzeugt, dass ihr Magen bald zu knurren beginnen würde, wenn sie nichts zu essen bekam.
Beau lachte, umrundete die Kutsche, setzte sich neben Chelsea auf den Sitz und ergriff die Zügel. „Wir können beim ersten Gasthaus Halt machen, wenn Sie so hungrig sind, doch ich hoffe, ein paar Kleider für Sie zu finden. Es sei denn, Sie hängen zu sehr an diesem Reitkleid und möchten die nächsten zwei Wochen darin zubringen.“
„Oh.“ Sie hielt sich an der Sitzkante fest, als sie vom Stallplatz rollten. „Das ist … überaus aufmerksam von Ihnen. Glauben Sie wirklich, dass im Dorf etwas Passendes zu finden ist?“
„Ich möchte bezweifeln, dass Sie die Kleider, die wir hier finden, zu den vornehmen Bällen tragen würden, zu denen Sie ohnehin nie wieder eingeladen werden, aber wir werden schon etwas auftreiben. Und als Antwort auf Ihre Frage: Niemand hat ihr gesagt, dass sie es nicht durfte.“
„Wie bitte?“
„Sie wollten wissen, wieso wir den Namen Blackthorn tragen. Mama hat uns alle so genannt.“
„Weil niemand ihr gesagt hatte, dass sie es nicht durfte“, wiederholte Chelsea kopfschüttelnd. „Ja, klar. Vermutlich sagt ihr kein Mensch, was sie darf und was nicht, und wenn jemand es versuchen sollte, würde sie ihm nicht zuhören. Wissen Sie, Oliver, in Anbetracht Ihres Status als Bastard und allem, was daraus folgt, ganz zu schweigen von allem, was Sie dadurch verloren haben, und Ihrer wirklich schönen, aber eindeutig egoistischen Mutter, ganz zu schweigen von Ihrem wohlmeinenden, aber genauso eindeutig konfusen Vater, wundert mich, was aus Ihnen geworden ist. Rückblickend und in Erinnerung an meine Verehrer der letzten paar Jahre und unter vollkommener Missachtung des grauenhaften Francis Flotley komme ich zu dem Schluss, dass mir Schlimmeres widerfahren könnte als eine Ehe mit Ihnen.“
Er sah sie kurz an, erschrocken, wie sie fand, dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte.
Sein Lachen mochte sie sehr.
Madelyn saß in Fahrtrichtung neben ihrem Bruder und starrte auf eine Stelle ein paar Zentimeter über Francis Flotleys linkem Ohr. „Ich begreife nicht, wie du mir das antun konntest, Thomas. Du hast gesagt, zu diesem Zeitpunkt würden wir Chelsea längst haben und uns auf dem Rückweg nach London befinden. Du weißt, dass ich so nicht bis nach Schottland reisen kann. Mit nur einer Zofe, nur drei Garnituren Kleidung zum Wechseln. Ohne meine eigenen Laken. Gütiger Gott, Mann, verlangst du von mir, dass ich in fremden Laken schlafe?“
„Soviel ich weiß, Madelyn, wäre es keine neue Erfahrung für dich. Und das von einer Frau, die nach ihrer Hochzeitsnacht weinend nach Hause kam und sagte, keine Frau sollte derartige Demütigungen hinnehmen müssen.“
Madelyns Zofe, die neben dem Reverend saß, durch die Umstände gezwungen, in derselben Kutsche wie ihre Herrin zu reisen, schloss die Augen und gab vor zu schlafen. Und taub zu sein.
„Jedenfalls nicht von dem tollpatschigen Bauern, an den du mich verschachert hast, nein. Übrigens war es deine Frau, die mir erklärt hat, dass Ehegatten selten versiert sind im Umgang mit ihren Frauen, dafür aber viel besser mit den Frauen anderer Männer.“ Madelyn wandte sich ihm lächelnd zu. „Da sitzt du nun, Thomas, und versuchst zu erkunden, woher sie das weiß. Du solltest lieber beten, dass dein Sohn und Erbe, falls du je einen zustande bringst, mit diesem Haken gestraft ist, den du Nase nennst, und mit diesen grausigen Ohren.“
„Mein Gott, nein“, warnte Reverend Flotley leise, und im nächsten Moment senkte der Earl die Hand wieder auf seinen Schoß. „Frauen haben die Männer immer zu Gewalttätigkeit gereizt. Sie sind die Ursache jeglichen Übels der Welt. Wir haben ausführlich darüber gesprochen, My Lord. Der Gatte ihrer Ladyschaft ist zu lasch. Sie benötigt Unterweisung, muss wissen, wo ihr Platz ist.“
„Wo mein Platz ist! Sie unverschämte Null! Und du hörst auf ihn, Thomas? Du hörst schon seit zwei langen Jahren auf ihn? Du hast aufgehört zu trinken und zu spielen. Du besuchst das Theater und das Pferderennen nicht mehr, du trägst nur noch dieses schreckliche Schwarz. Du hast deinen Geliebten abgeschworen – oh ja, auch das weiß ich. Alles nur, weil du es Gott versprochen hast? Hat Gott dich um dieses Versprechen gebeten? Oder hat Er diesen Mann mit den
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