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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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regte er sich auf? Die Freude erwartete
ja gar nichts von ihm. Sie war vernünftig genug, sein Balzen nicht ernst zu
nehmen. »Sie sind verrückt«, hatte sie gesagt und ihn einfach stehenlassen.
    Bastian suchte im Radio, bis er etwas fand, das
einem sehnsüchtigen Sommerabend ungefähr entsprach. Er schaltete das Licht ein,
ohne an die Mücken zu denken, und malte Strichmännchen auf einen Zeitungsrand,
machte Strichmädchen aus ihnen, nein, Himmel nein, nicht das, sondern Ärztinnen
im weißen, braven Kittel. Freude. Doktor Freude. Ob sie wohl auch einen
Vornamen hatte?
    Es war schon ziemlich schlimm. Seit Juscha
damals hatte es ihn nicht mehr so erwischt. (Juscha war Wienerin und seine
große Leidenschaft gewesen. Die Leidenschaft mußte sterben, weil es ihm am
nötigen Fahrgeld von München nach Wien und zurück fehlte.)
    Als das Bier zu Ende war, ging er auf seinem
Sofa zu Bett, überzeugt, nie mehr schlafen zu können, schon wegen der vielen
Mückenstiche.
     
    Irgendwann bellte eine Klingel in seinen tiefen
Schlaf. Bastian schreckte hoch, wußte erst nicht, wo er war, was los war, auf
welcher Seite er aussteigen mußte, und tappte im Dunkeln, mehrere scharfe
Kanten rammend, zur Wohnungstür. Verfluchte Micky, vergaß immer den
Wohnungsschlüssel.
    Aber es war nicht die Türklingel, die ihn
geweckt hatte, sondern das Telefon.
    Bastian stieg mit dem Apparat in sein Sofabett
und schimpfte »Guthmann« in den Hörer. »Was — wer? Was für ‘n Krankenhaus?«
    Eine dunkle, müde klingende Frauenstimme sagte,
unterbrochen von einem tiefen Lungenzug: »Ich ruf’ Sie im Auftrag von Susi
Schulz an. Ihr Baby ist da.«
    »Mitten in der Nacht?«
    »Es ist ein Mädchen.« Tiefer Zug. »Fast sieben
Pfund. Eine ganz normale Geburt.«
    »Na fein«, sagte Bastian. »Gratulieren Sie von
mir, und vielen Dank für ‘n Anruf.« Plötzlich war er hellwach. »Hallo«, schrie
er in den Hörer, »sind Sie noch da?«
    »Ja.«
    »Mit wem spreche ich? Sind Sie es?«
    »Wer — ich?«
    »Na eben Sie -.«
    Kurzes Zögern, dann: »Ja. Wieso?«
    »Schön«, sagte Bastian. »Waren Sie dabei, als
die Susi gemuttert hat?«
    »Ja.«
    »Ich bin nicht der Vater.«
    »Ich weiß. Frau Schulz hat es mir gesagt.«
    »Was hat sie gesagt?« fragte er.
    »Daß Sie nicht der Vater sind, wohl aber der
einzige Mensch, der sich ein bißchen freut, wenn ihr Baby da ist.«
    So eine gute Meinung hatte dieses Mädchen, das
ihm fast fremd war, von ihm. Eine Meinung allerdings, die beinah die
Verpflichtung einschloß, sich um sie zu kümmern.
    »Grüßen Sie Mutter und Kind.«
    »Fräulein Schulz hat übrigens eine Bitte an Sie,
Herr Guthmann. Sie hat fest mit einem Jungen gerechnet und keinen Namen für ein
Mädchen, und ob Sie nicht vielleicht...«
    »Ob ich was?«
    »...einen Namen wüßten.«
    So auf Anhieb fielen ihm Micky ein, Juscha,
seine Schwestern Leni und Rosi — aber dann kam ihm eine Idee. »Ich weiß einen:
Wie heißen Sie?«
    »Ich?« Kurzes Zögern, dann ungern: »Katharina.
Aber...«
    »Schönen Gruß an Susi Schulz, und ich fände den
Namen Katharina schön:«
    »Aber das ist doch — .«
    »Bitte!« sagte er unendlich sanft.
    »Ich werd’s ausrichten. Gute Nacht, Herr
Guthmann.«
    »Gute Nacht, Katharina...«
    Er legte den Hörer auf, umarmte seine
angezogenen Knie und grinste blödsinnig froh auf seine Zehen hinab.
    »Katharina Freude. Katharina — Katharina... «
    Und jetzt erst sah er Micky neben seinem Sofa
stehen. Er hatte sie nicht kommen hören.
    Sie imitierte ihn seelenvoll: »Katharina —
Katharina — Katharina ...« Dabei nahm sie ihre Tasche von der Schulter
und warf sie hinter sich, ihren Landungsort dem Zufall überlassend. »Ist
Katharina deine neue Mieze, ja? Erzähl mal!«
    Bastian brach beinah zusammen. »Mieze! Bist du
wahnsinnig? Sie ist eine Ärztin!«
    »Ach du mein lieber Herr Gesangverein«, seufzte
Micky. »Wieder keine, die hier abwäscht.«
    Bastian schaute sie nur an. Ohne einen Funken
von Sympathie. Wortlos stand er auf und stieg in seine Hosen. Micky sah ihm zu.
Micky sah, wie er seinen Pullover überstülpte und den total verstaubten Koffer
vom Schrank riß.
    Er stopfte wahllos alles hinein, was ihm unter
die Finger kam — Hemden, Bücher, selbst den Aschenbecher.
    »Du reist aber plötzlich.«
    »Ich reise nicht. Ich ziehe aus!«
    »Warum?« fragte Micky. »Etwa meinetwegen?«
    »Weshalb wohl sonst?«
    Das begriff Micky nicht, denn bei allem, was man
ihr nachsagen konnte — unlogisch war sie nicht.

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