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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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Bastian macht einen Krankenbesuch
     
    An einem Dienstagmorgen Anfang Juli stand
Bastian Guthmann auf dem Viktualienmarkt vor einem Blumenstand und wußte nicht
recht, was er kaufen sollte.
    Er zog ein Bund Margeriten zu zwei Mark aus
einem Eimer, der Strauß tropfte auf seine Schuhe und erschien ihm ein bißchen
wenig.
    »Dann nehmen S’ doch zwei«, sagte die
Blumenfrau.
    Dies wiederum erschien Bastian ein bißchen
teuer. Er hatte etwas zu zwoachtzig im Sinn gehabt.
    »Für welchen Zweck soll’s denn sein?«
    »Meine Großmutter«, sagte er, »sie liegt im
Spital.«
    Der Satz ging der Blumenfrau zu echtem Herzen.
»Ah geh — schlimm?«
    »Nichts Gefährliches«, sagte Bastian, aber genau
wußte er auch nicht, was ihr fehlte. Seine Schwestern, die ihn abwechselnd
anriefen, um ihn daran zu erinnern, daß er Großmutter besuchen müßte, sprachen
diskret von Omas Vorfall, worunter sich Bastian wenig vorzustellen vermochte.
Auf alle Fälle hatte es etwas mit ihrem Unterleib zu tun.
    Bastian wunderte sich, daß so eine alte Frau
überhaupt noch einen Unterleib besaß, der Schwierigkeiten machen konnte. »Ich
denke, der zu zwei Mark wird genügen«, sagte er, »sie kriegt ja noch von
anderen Blumen.«
    Nachfolgend bestieg er seine »Else«, einen Deux
Cheveaux, Baujahr 59, aber Luxusausgabe. Der Motor lief noch fabelhaft, nur der
Rost machte Else zu schaffen. Er hatte ihren Unterboden so gründlich
aufgefressen, daß Bastian während der Fahrt das Straßenpflaster unter seinen
Füßen betrachten konnte. Solange er nicht durch eine Pfütze fuhr, störte das
nicht. Die Risse und Triangel im Verdeck hatte er mit Isolierband verpappt. Auf
den durchhängenden Sitzen glichen Sofakissen das Schlimmste aus. Bastian liebte
seine Else wie einen alten Hund.
    Bastian, Else und der Strauß Margeriten fuhren
zum Krankenhaus, das war so gegen elf Uhr vormittags.
    Die Empfangsschwester guckte streng aus ihrem
Glaskasten. »Jetzt? Jetzt ist keine Besuchszeit. Kommen Sie morgen nachmittag
wieder.«
    Bastian, nun einmal da und finster entschlossen,
seine Blumen loszuwerden, sagte, er käme von außerhalb, von Oberpfaffenhofen.
Er habe sich extra von seinem Chef freigeben lassen, um seine alte Oma zu
besuchen, er könne am nächsten Tag nicht wiederkommen. Und er lächelte.
    Bastian konnte überwältigend lächeln, wenn er
wollte.
    Die Schwester sagte: »Dritter Stock, Zimmer 338,
Gynäkologische, links durch die Glastür, wo >Professor Dr. Klein<
draufsteht. Wenn der Herr Chefarzt Visite macht, müssen Sie verschwinden, hören
Sie?«
    Bastian nahm den Lift. Der Lift roch nach frisch
behandeltem Unglücksfall. Krankenhäuser waren ihm ein Greuel.
    Als kerngesunder junger Mann, der sogar noch
über seinen Blinddarm (27) verfügte, hatte er eine kerngesunde Scheu vor allem,
was mit Leiden, Blut und Bahren zu tun hatte und mit Spritzen. Bastian hatte
schon dreimal eine in den Arm gekriegt und eine ins Gesäß. Und niemand hatte
ihn bedauert.
    Als er den Lift im dritten Stock verließ, wehte
eine weiße, gewichtige Wolke an ihm vorüber — der Chefarzt mit eilfertigem
Gefolge auf der Rückkehr von der Visite. Ein königlicher Aufmarsch in Weiß,
weißer ging’s nicht, selbst die Schuhe, alles weiß — bis auf das Gesicht des
Oberarztes. Ihm sah man an, daß er schon 14 Tage Costa Brava hinter sich hatte.
    Bastian ließ die Prozession an sich
vorüberziehen, hörte im Geist Barocktrompeten und zog ergriffen einen Hut, den
er nicht besaß.
    Dann suchte er sich an den Zimmertüren entlang.
Zimmer 314 — 315 — Eintritt verboten — 317 — 318 — Fäkalienspüle (die deutsche
Sprache verfügt wirklich über hervorragende Wortkompositionen) — 319...
    Auf dem Gang bewegten sich blasse Patientinnen
mit plattgelegenen Frisuren und geblümten Morgenröcken. Manche trugen Söckchen
oder heruntergerollte Strümpfe in Puschelpantoffeln. Alle sahen Bastian nach.
    Zu der Unbehaglichkeit, sich in einer
Krankenanstalt zu befinden, gesellte sich nun auch noch das peinliche Gefühl,
in eine verbotene, weibliche Welt eingedrungen zu sein — ein Gefühl ähnlich
dem, das er empfunden hatte, als er einmal aus Versehen in eine Damentoilette
geraten war.
    Zimmer 338.
    Großmutter Guthmann lag mit zwei anderen Frauen
in einem länglichen, hellblau gestrichenen Zimmer. Im Bett am Fenster. Sie trug
ein langärmeliges Anstaltshemd mit blauen Borten und las Zeitung.
    Bastian hatte sie noch nie im Bett gesehen. Auch
im Bett strahlte sie die vorsorgliche

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