Der Bastian
Lehrer an. In
Regen. Das ist in Niederbayern.« Sie schaute zu Klein auf und lächelte. »Sie
kennen ihn übrigens. Er war’s, der damals bei Grün gebremst hat. Meinetwegen.«
»Meinst du etwa diesen...«
»Bitte«, unterbrach ihn Katharina, »sagen Sie
nichts gegen ihn. Er hätte Ihnen auch gefallen, wenn Sie nicht hätten in ihn
hineinfahren müssen. Es war schön mit Bastian, aber das ist ja nun vorbei. Ich
habe Schluß gemacht.«
Klein nahm sie beglückt bei den Schultern.
»Vernünftiges Mädchen.«
»Ja« — sie seufzte — , »das hat Bastian oft
genug bedauert. Ich auch. Ich bin manchmal zu vernünftig. Aber wer kann schon
aus seiner Haut!?« Sie entzog ihre Schultern ganz leicht seinen Händen, gerade
so viel, daß es nicht verletzend wirkte. »Hauptsache, die Sache ist vorbei«,
sagte Klein zufrieden. »Ja, das ist sie«, nickte Kathinka. »Aber das schließt
nicht aus, daß ich mich vielleicht noch einmal von ihm verabschieden werde. Ein
allerletztes Mal, verstehen Sie?«
Es war soweit.
Martha Guthmann lächelte ihren Abschiedskummer
so aktiv nieder wie weiland 1942, als sie ihren Mann zum Zug brachte, mit dem
er an die Front fuhr.
»Schreib mir, wenn du was brauchst, Bub, hörst
du?«
»Ich schreib’ dir sogar, wenn ich nichts
brauche«, versicherte Bastian und küßte sie. »Ach, Martha.«
Außer von Kathinka und von München fiel ihm
dieser Abschied am schwersten. »Komm mal raus, ja?«
»Ich komm’ bald, Bub, ich weiß ja die Züge.«
Der nächste war Klappzahn. »Tschau, altes
Tränentier.«
»Selber eins«, sagte Bastian und konnte Susi
nicht mehr küssen, weil Großmutter ihn zum Trittbrett schob.
»Einsteigen. Bub, steig um Himmels willen ein.
Beschimpfen könnt ihr euch auch durchs Fenster.«
Bastian schaute nun aus dem Gangfenster auf die
paar Köpfe, die sich ihm entgegenhoben. Alles Familie — bis auf Inka Hauswurz.
Richtig nette Familie.
Was einem so durch ein Abschiednehmen erst
auffällt. Vor allem, wenn man nicht nach Starnberg, Garmisch oder an den
Chiemsee auswandert, sondern nach Regen mit einem Wohnsitz auf einem Hof in
einem Dorf. So einsam und ursprünglich gelegen, daß es einen nicht wundern
würde, wenn an klirrenden Winterabenden die Wölfe an die Haustür pochten und
fragten, ob sie nicht ein Döschen Chappi haben dürften.
»Dank’ euch schön«, sagte Bastian und suchte in
seinen Hosentaschen wie nach Abschiedspräsenten, fand aber nur drei
Fruchtbonbons und seine Wohnungsschlüssel, die er vergessen hatte beim
Hausmeister abzugeben.
Einen Bonbon reichte er Susi, die neben dem
anfahrenden Zug herging. Sie dankte mit ihrem schönsten waidwunden Rehblick und
hatte einen Augenblick lang vergessen, daß sie frisch verlobt war.
Das tat Bastian wohl.
Inka warf er das Schlüsselbund zu. Die übrigen
zwei Bonbons steckte er wieder ein. Großmutter mochte keine, Kathrinchen war
noch zu klein dazu, und mit den beiden anderen stand er nicht so intim, um
ihnen seine Bonbons zu schenken. »Kommt bald mal, ja? Kommt, ehe der Jet-Set
den Landkreis Regen entdeckt und zweckentfremdet«, rief er albern zurück. Susi
winkte mit einer Windel, sie hatte nichts anderes. Klappzahn und Inka
schwenkten Arme.
Martha Guthmann stand bloß da und sah ihm nach
und fuhr in Gedanken mit ihm mit.
Bastian fiel der Luftballon ein. Er holte ihn
aus dem Abteil und stieß ihn zum Fenster hinaus in den Fahrwind. Er winkte mit
ihm.
Seine Familie auf dem Bahnsteig wurde immer
kleiner. Schade, dachte er, Kathinka ist nicht gekommen.
Dann kam der Knick im Gleis, nach dem der
Bahnhof aus dem Blickfeld der Abreisenden entschwindet. Bastian wollte das
Gangfenster schließen, aber die Schnur vom Luftballon störte. Da ließ er ihn
fliegen und sah ihm nach, wie er in die Wolken stieg.
Ihm war plümerant ums Herz.
Aber dann fielen ihm die Schulanfänger ein, die
er in einer Woche übernehmen sollte. Als erstes würde er sie Luftballons malen
lassen-grüne, rote, blaue und gelbe mit Mondgesichtern. Bastian begann, sich
auf seine Zukunft ein bißchen zu freuen.
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