Der Beethoven-Fluch
betroffen; mit denen könne man nicht umspringen wie mit Kriminellen.”
“Da muss eine Lösung her, und zwar dalli.” Paxton wollte den Punkt schon näher erläutern, hielt sich aber zurück. Es gab keinen Grund, Vine zu belehren. Daher wandte er sich an seine Nummer zwei. “Alana, jetzt sind Sie dran.”
Alana Green, ein naturwissenschaftlich und mathematisch begabtes Wunderkind, hatte mit achtzehn den Abschluss am Massachusetts Institute of Technology gemacht und war seitdem in der Firma. Inzwischen vierundzwanzig, war sie noch immer die Jüngste im Team und nur ein Jahr älter als Paxtons Tochter. Gerade wollte sie mit ihrer Präsentation loslegen, da klingelte Kerris Handy. Nach einem Blick aufs Display nahm die Assistentin das Gespräch an. “David Yalom kommt rauf”, sagte sie, nachdem sie aufgelegt hatte.
“Dann warten wir noch”, befahl Paxton, an Alana Green gewandt. “So können wir gleich der Presse was bieten.”
“Da wäre noch was”, bemerkte Kerri.
Paxton musterte sie fragend.
“Ich kriege gerade die Meldung, dass wir womöglich zwei zusätzliche Konzertgäste haben werden.”
Ihr Chef lupfte die Brauen. “Spannen Sie mich nicht auf die Folter.”
“Der Vizepräsident und der Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten werden gegen Ende nächster Woche in Osteuropa weilen. Anscheinend sind beide Beethoven-Fans.”
25. KAPITEL
S onntag, 27. April – 10:15 Uhr
David hatte den Chef von Global Security bereits mehrmals interviewt. Beim Eintreten begrüßte Tom Paxton ihn daher herzlich, wenn auch ein bisschen verlegen. Er hatte den Journalisten seit dem Anschlag, der seine gesamte Familie auslöschte, nicht mehr getroffen. Und obwohl er noch nie einem zum Tode Verurteilten begegnet war, kam ihm doch genau dieser Vergleich in den Sinn, als er dem israelischen Journalisten die Hand schüttelte. Yalom war blass und abgemagert, das Gesicht ausgezehrt. Er wirkte schwer angeschlagen.
“Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?”, fragte Kerri. “Einen Kaffee?”
“Kaffee, ja”, erwiderte David, um noch im Nachhinein hinzuzufügen: “Das wäre prima.” Er zog ein Notizbuch aus einer Tasche seines grünen Rucksacks und schlug eine unbeschriebene Seite auf. “Gratuliere!”, sagte er zu Paxton. “Das ist ja ein richtiger Großauftrag.”
“Der die entsprechende Strategie erfordert. Können wir loslegen?” Paxton setzte den Journalisten kurz ins Bild, wobei er ihn sorgsam beobachtete. Irgendetwas stimmte nicht mit Yalom – als liege zwischen Denken und Tun immer eine Verspätung von ein, zwei Sekunden. Während Paxton aber dann in groben Zügen erläuterte, mit welchen Maßnahmen Global Security das Konzert zu sichern gedachte, schrieb Yalom problemlos mit und hakte hin und wieder auch mit klugen und bohrenden Fragen nach.
Paxton hatte nun schon zum fünften oder sechsten Mal mit David Yalom zu tun. Der Journalist berichtete bereits seit Jahren über die ISTA-Konferenzen und war bei allen Teilnehmern als fairer Reporter bekannt, der in dem Ruf stand, sich stets auf tadellose Recherchen zu stützen. Paxton machte sich auch nichts aus den bohrenden Fragen. Sein Unternehmen lief auf Hochtouren; er wusste, es gab an der Firma nichts auszusetzen und nichts Negatives zu berichten.
“Als Erstes zeigen wir Ihnen mal, wie unser Hauptsicherheitsprogramm läuft”, fuhr Paxton fort. “Mit Popcorn können wir leider nicht dienen”, setzte er scherzend hinzu.
David lachte, allerdings etwas verkrampft, wie Paxton fand. Alana Green drückte auf den Startknopf, und was sie dann via Laptop dem versammelten Publikum vorführte, hätte ohne Weiteres mit jedem Kino-Thriller mitgehalten. Schemenhafte Gestalten stürmten den Konzertsaal in unterschiedlichen Szenarien, unter anderem durch den Lieferanteneingang oder vom Hausdach aus oder durch einen vom Nachbargebäude aus gegrabenen Stollen. In jedem der gezeigten Fälle lösten Wachleute, Alarm- und Sicherheitseinrichtungen unverzüglich Großalarm aus; die computeranimierten Terroristen wurden postwendend dingfest gemacht.
“Jetzt gucken Sie mal, was passiert, wenn es sich nicht um einen unbefugten Eindringling handelt, sondern um einen Konzertbesucher mit limitierter Zugangsberechtigung, der zu den VIP-Logen möchte …”
Außer David wusste natürlich jeder am Tisch, was geschehen würde. Dennoch schauten alle fasziniert zu, wie sich die Simulation mitsamt beängstigend lebensechten Protagonisten in einem perfekt nachgebildeten
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