Der Beethoven-Fluch
Berufssoldat, ließ sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Er hatte in seinem Leben schon so viel Tod und Elend gesehen – genug, um ihn bis ans Ende seiner Tage zu verfolgen. Wenngleich er wusste, dass es bei jedem Auftrag um Leben oder Tod ging, konnte ihn nichts so schnell erschüttern. Ein pingeliger Boss schon gar nicht – einer der Gründe dafür, dass er seinen Job noch hatte. “Gehen wir mal durch, was wir alles schon erledigt haben. Das Verkehrsproblem ist gelöst. Die Sperrung der Durchgangsstraße vor der Konzerthalle am Abend des Konzerts ist von der Stadtverwaltung genehmigt. Sogar die Prominenz kann nur bis zur nächsten Straßenecke fahren und muss dann zu Fuß gehen. Der Zugang zu sämtlichen Ein- und Ausgängen der geschützten Flächen erfolgt über biometrische Zugangskarten und Sicherheitsschleusen; läuft alles wie geschmiert. Alles funktioniert einwandfrei, alles ist doppelt und dreifach gesichert. Die Wiener Behörden verhalten sich sehr entgegenkommend.”
Bill Vine war schon seit dem ersten Golfkrieg bei Global Security, seit Anfang der Neunzigerjahre also. Sein posttraumatisches Stresssyndrom hätte einen weniger durchsetzungsfähigen Mann vermutlich berufsunfähig gemacht, aber Vine hatte seine Dämonen gut im Griff. Hin und wieder fühlte Paxton ihm allerdings sicherheitshalber auf den Zahn, so wie jetzt an diesem Morgen. Doch auch diesmal entdeckte er keinerlei Anhaltspunkte in Bills Augen. Anderenfalls wäre der in null Komma nichts weg vom Fenster gewesen, egal, wie gut die zwei sonst auch zusammenarbeiten mochten oder wie viel Vine für die Firma geleistet hatte.
“Können Sie mir mal zeigen, wie das mit den Karten funktioniert?”, fragte Paxton.
“Aber klar doch!” Während Vine Befehle in den Computer tippte, um das entsprechende Programm zu laden, richtete Paxton sein Augenmerk auf die anderen Mitglieder des Teams und überprüfte sie auf Anzeichen von Anspannung, Ermüdung und nachlassender Aufmerksamkeit. Bei der Sicherheitskonferenz saß die Firma sozusagen auf dem Präsentierteller; da konnte man sich keine Schlampereien leisten. Paxton hatte weiß Gott lange genug gebraucht, um es so weit zu bringen.
Alljährlich tagte diese renommierte Gesellschaft in einem anderen Land, um sich über die neuesten Entwicklungen auf dem Sicherheitssektor auszutauschen, die aktuellsten Neuerungen vorzustellen und über Sicherheitspolitik und ihre Herausforderungen zu debattieren. Hier trafen sich die Spitzenmanager sämtlicher größerer Sicherheitsfirmen und Hunderte von Analysten, Prominenten und Spitzenbeamten aller möglichen staatlichen Sicherheitsdienste: Die Konferenz der ISTA war eine gigantische Zielscheibe und geradezu eine Einladung für einen publikumswirksamen Terrorangriff. Und dass am kommenden Donnerstag ein solcher Anschlag nicht passierte, genau dafür trug Tom Paxton die Verantwortung.
Seit der Gründung der ISTA im Jahre 1958 wetteiferten einzelne Unternehmen alljährlich um die Ehre, die Sicherheit der Konferenz gewährleisten zu dürfen. Generell kamen etliche Firmen in die engere Wahl, je nachdem, wie viele Versammlungsorte es gab. Diesmal waren es sechs. Eine kümmerte sich um das Konferenzzentrum, wo das Gros der Aktivitäten, Tagungen, Podiumsdiskussionen und Ausstellungen stattfand. Vier weitere waren zuständig für die vier Hotels, in denen die Tagungsteilnehmer logierten. Diese fünf Unternehmen stellten lediglich eine Art Sicherheitsreserve dar, denn die Austragungsorte selber wurden ohnehin bereits nach Sicherheitsaspekten ausgesucht und mussten in dieser Hinsicht auf dem neuesten Stand sein.
Der Ort indes, den die sechste Firma zu überwachen hatte, der war nicht so gut abgesichert.
Das Überwachungssystem in dem einhundertvierzig Jahre alten Konzertgebäude des Wiener Musikvereins in der Bösendorferstraße 12, unweit des Kärntner Rings gelegen, war bestenfalls Mittelmaß. Der Sicherheitsfirma also, die den Überwachungsauftrag für dieses Bauwerk erhielt, bot sich eine Riesenchance, die allerdings mit einer gewaltigen Herausforderung einherging. Und genau diese Firma war Global Security.
“Soll ich noch in die unappetitlichen Einzelheiten gehen?”, fragte Vine seinen Chef.
“Sie meinen vielleicht, wir alle kennen das Sicherheitssystem hier in- und auswendig, aber …”
Vince ließ Paxton gar nicht erst ausreden und sprach den Satz für ihn zu Ende. Kein anderes Teammitglied hätte sich das erlaubt, doch Paxton gestattete sich sogar
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