Nino und der Schul-Drache - Erst ich ein Stück, dann du
Nino will nicht zur Schule gehen
Nino sitzt in seinem neuen Zimmer auf dem Teppich und holt seine Spielsachen aus einem großen Karton. Er und seine Eltern sind umgezogen und endlich im neuen Haus angekommen. Nun soll Nino seine Autos, Kuscheltiere, Bücher und Spiele in das Regal an der Wand räumen, während Mama und Papa sich um die anderen Zimmer kümmern. Zum Glück sieht Mama nicht, wie langsam Nino vorankommt. Sein Spielteppich besteht aus eingewebten Straßen und Kreuzungen. Sobald er eines seiner Autos in der Hand hält, muss er damit zur nächsten Ampel fahren, den Bahnübergang überqueren, den Lastwagen überholen oder sich mit der Polizei eine wilde Verfolgungsjagd liefern. Bisher haben erst sein Uno-Spiel, sein Lego-Raumschiff und sein Star-Wars-Klebealbum ihren Platz im Regal gefunden. In dem Klebealbum fehlt ihm nur noch ein Bild, das Laserschwert. Aber egal wie viele Tüten er von seinem Taschengeld kauft, es sind immer nur Bilder darin, die er schon hat. Als sich Ninos ältestes Schrottauto, an dem schon fast die ganze Farbe ab ist, in der Kurve überschlägt, kommt Mama herein.
„Nino, ich habe deinen Ranzen
gefunden“, sagt sie. „Er lag
in der Kiste unter deinem Anorak.
Sieh nach, ob alle Stifte und Hefte
darin sind! Ab morgen gehst du ja
in die neue Schule.“
„Oh nein!“, jammert Nino. „Muss das sein? Da habe ich gar keine Freunde!“
„Die Kinder sind sicher nett zu dir“, meint Mama. „Und nun mach schnell! Es gibt gleich Abendbrot.“
Widerwillig zieht Nino die Schulmappe zu sich heran und öffnet sie. Na klar liegen seine Federtasche und die Hefte drin. Mama hat extra neue gekauft, damit er gleich einen guten Start hat. Nino will aber lieber zu Hause bleiben und mit seinen Autos spielen. Denen ist
es egal, dass Nino ein ziemlich schüchterner Junge ist. Seine Autos kennt er. Die Kinder in der neuen Schule aber sind ihm fremd, weil Nino ja erst seit heute hier wohnt. Bestimmt starren sie ihn an, wenn er in die Klasse kommt. Nino weiß schon, was dann passieren wird. Er wird nicht sprechen können. Wenn er sich unbehaglich fühlt, fällt ihm nichts ein, was er sagen könnte. Und je öfter man ihm sagt, dass er reden soll, desto schlimmer wird es. Ninos Lippen sind dann wie zugeklebt. Am liebsten würde er sich unsichtbar machen, bis er sich an alles gewöhnt hat und sich seine Sprache von allein wieder meldet.
Mama ruft ihn zum Abendbrot. Erst jetzt merkt Nino, wie sein Magen knurrt, und er rennt in die Küche.
Mama hat den Tisch gedeckt.
Sogar Ninos blaue Tasse
mit dem Ufo steht da.
Papa nimmt einen Topf
mit warmer Milch vom Herd
und schenkt ihm ein.
„Setz dich, Nino“, sagt er
und lächelt.
Mama legt ein Würstchen und eine Scheibe Brot mit Butter auf Ninos Teller.
„Wie gut, dass ich noch ein paar Tage Urlaub habe“, sagt Papa. „So kann ich in Ruhe alles fertig aufbauen und einrichten.“
„Ich will auch Urlaub haben“, protestiert Nino. „Muss ich morgen wirklich zur Schule gehen?“
„Auf jeden Fall“, bestimmt Mama. „Du bist angemeldet und die Lehrerin wartet auf dich.“
„Was ist, wenn ich morgen früh krank bin?“, fragt er. Papa streicht ihm übers Haar.
„Einer, der so großen Appetit auf Wurst hat, ist kerngesund“, meint er. „Natürlich würden wir dich nie zur Schule schicken, wenn du wirklich krank wärst. Ich weiß, dass du dich ein wenig fürchtest, weil dort alles noch neu für dich ist. Aber das ist normal und ich bin sicher, du packst das.“
„Und wenn nicht?“
Nino blickt unglücklich
auf seinen Teller,
auf dem nur noch
die Brotkruste liegt.
Mama seufzt. Sie weiß, dass Nino es nicht leicht hat, weil er so schüchtern ist. Auch im Unterricht wagt er oft nicht, sich zu melden, selbst wenn er die richtige Antwort weiß.
„Dann geht die Welt auch nicht unter“, verspricht sie ihm. „Deine Lehrerin und die Mitschüler werden dich nicht zum Reden zwingen, wenn du es nicht schaffst. Lass dir einfach Zeit. Irgendwann klappt es schon.“
Ganz sicher ist sich Nino da nicht. Inzwischen spürt er, wie müde er nach dem langen Umzugstag ist. Als alle aufgegessen haben, steht Nino auf und geht ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Das Bad in der neuen Wohnung gefällt ihm gut, denn auf den Kacheln an der Wand sind bunte Fische abgebildet.
Ein Fisch möchte ich sein,
denkt er. Fische müssen nicht
in die Schule gehen.
Sie müssen nicht reden.
Fische haben immer Ferien
und können den ganzen
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