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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.j. Rose
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und her, dass Meer spürte, wie sich ihr Schwerpunkt verlagerte. “Das hier erinnert mich an eine Szene aus ‘Der dritte Mann’”, sagte sie. “Wir haben den Film an der Juilliard gesehen – wegen des Zither-Themas.”
    “Genau, daran denkt gleich jeder, wenn er den Filmtitel hört: an die Zither-Melodie und die Sequenz mit dem Riesenrad.”
    “Es war ein unheimlicher Streifen. Andererseits: Wien ist tatsächlich auch ein wenig unheimlich, nicht wahr?”
    “Stimmt. Hinter den eleganten Fassaden lauern hässliche Geheimnisse und düstere Schatten. Ähnlich wie bei einer schönen Frau, die eine Waffe hinter dem Rücken versteckt hält.”
    Bei seiner Stimme überlief Meer eine Gänsehaut. Sie wandte sich von ihm ab und blickte hinunter auf die wie in Miniaturausgabe wirkende Stadt. “Wie geht noch diese Szene”, fragte sie, “in der die beiden in der Gondel sitzen und auf die Stadt gucken?”
    “Das ist einer meiner Lieblingsfilme!”, erwiderte Sebastian. “Als sie sich hier am Riesenrad treffen, weiß Holly Martins schon, dass Harry Lime gepanschtes Penizillin verschiebt und Tausende auf dem Gewissen hat. Der korrupte Mensch als Metapher für den korrupten Staat. In einer von diesen Wagen – und bei der gleichen Aussicht – sagt Lime dann zu seinem alten Freund aus Amerika: ‘Schau doch da hinunter! Würdest du’s dir wirklich zu Herzen nehmen, wenn einer dieser schwarzen Punkte aufhören sollte, sich zu bewegen – für immer? Würdest du – wenn du für jeden Punkt, der krepiert, zwanzigtausend Pfund bekämst – mir allen Ernstes antworten, ich solle mein Geld behalten? Oder würdest du dir ausrechnen, auf wie viele Punkte du verzichten könntest?’”
    “Nein, das meinte ich nicht.”
    Der Wind frischte auf, und die Gondel schaukelte hin und her. Sebastian lächelte, und als er die von Meer gemeinte Stelle rezitierte, da entdeckte sie in seinen Augen etwas von der Verschlagenheit, die auch Orson Welles in dem Film ausstrahlte. “Denk daran, was Mussolini gesagt hat: In den dreißig Jahren unter den Borgias hat es nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blut, aber es gab Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe, fünfhundert Jahre Demokratie und Frieden. Und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr.”
    “Richtig, das meinte ich. Am Konservatorium haben wir früher ein Spiel gespielt: Was würden Sie aufgeben, um etwas ganz Großartiges, Zeitloses zu schaffen?”
    “In der einen oder anderen Weise haben wir das alle schon mal gespielt.”
    Oder, dachte Meer, was würdest du aufgeben, um einen geliebten Menschen zu retten? Das sprach sie allerdings nicht laut aus. Mittlerweile hatte die Gondel sich mit einem Ruck wieder in Bewegung gesetzt und fuhr abwärts. Sie kehrten zur Erde zurück; die Menschen unten am Boden wurden größer. Mit einem Mal hallte ein dröhnender Donnerschlag; die Wolken öffneten sich, und dicke, schwere Regentropfen klatschten gegen die Gondelscheiben. Kurz darauf hielt das Riesenrad an.
    “Gefahr gebannt!”, bemerkte Sebastian.

66. KAPITEL
    M ittwoch, 30. April – 17:45 Uhr
    Sebastian bezahlte den Taxifahrer, stieg aus und half Meer aus dem Wagen. Sie war froh über die Hilfestellung, denn ihr Rücken war verspannt, und obwohl sie sich dagegen wehrte, verzog sie beim Aussteigen schmerzhaft das Gesicht. Bei dem leichten Nieselregen bestand eigentlich kein Grund zur Eile, aber trotzdem überquerten sie hastig die Fahrbahn und drückten sich rasch durch die Milchglastüren des Hotel Thonet. Beide waren gestresst und angespannt. Sie hatten den Nachmittag im Prater verbracht und sich vergewissert, dass sie nicht observiert wurden. Vorsichtshalber hatten sie dennoch Alternativen erwogen und abgesprochen, was für den Fall aller Fälle zu tun war – beziehungsweise wohin man ausweichen sollte.
    Die aus dem 18. Jahrhundert stammende Villa mit ihren Holzbalken, alten Steinfußböden, gewölbten Decken und zwei Meter hohen gotischen Bleiglasfenstern war zwar restauriert worden, hatte jedoch trotz der Modernisierung einen gewissen Charakter behalten. Mozarts 25. Sinfonie in g-Moll war zu hören, und in der Luft lag der Duft von Äpfeln und Kaminholz – unter anderen Umständen ein durchaus behaglich zu nennendes Ambiente.
    Mit dem Kopf wies Sebastian auf eine kleine Sitzecke, wo sich weinrote Plüschsessel gemütlich um ein flackerndes Kaminfeuer gruppierten.
    “Setzen Sie sich”, sagte er lächelnd. “Ich frage mal nach,

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