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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.j. Rose
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Grund, noch länger darüber nachzugrübeln. Vergangenem nachzutrauern war müßig. Erinnerungen riefen nur Kummer hervor, mehr nicht.
    Die Vorhänge waren halb zugezogen; das durch die Stores dringende Restlicht hätte ihm zwar für die nun folgende Tätigkeit gereicht, aber er knipste trotzdem die Nachttischleuchte an. Und obwohl er gar keine Lust zum Gucken hatte, schaltete er auch noch den Fernseher an und zappte sich durch bis zu einem der Nachrichtensender. Vom Schreibtisch aus rief er den Zimmerservice an, bestellte sich einen Happen zu essen und machte die Bestellung bewusst eilig. Dabei hatte er gar keinen Hunger. Essen war ihm inzwischen nicht mehr sonderlich wichtig. Aber ein Auto braucht eben Sprit, auch wenn es das Benzin weder schmecken noch riechen kann.
    Mit einem Ruck zog David die Überdecke vom Bett, zerknautschte die Kissen und ließ sich einen Moment auf der Bettkante nieder. Allerdings nicht lange. Dann nahm er eine Flasche Mineralwasser aus der Minibar, drehte die Verschlusskappe vom Hals und legte sie sorgsam auf das Nachttischchen. Nachdem er die Flasche mit einem einzigen Schluck halb ausgetrunken hatte, stellte er sie neben den Verschluss. Als Nächstes nahm er den auf dem Flughafen gekauften Thriller zur Hand. Der lag, ohne dass David bisher auch nur ein einziges Wort gelesen hatte, mit dem Gesicht nach unten auf dem Nachttisch, aufgeschlagen auf Seite 120. Nunmehr blätterte David weiter bis Seite 144 und legte das Buch dann wieder an Ort und Stelle hin, wie es vorher gelegen hatte.
    Anschließend brachte er das Badezimmer ein wenig in Unordnung, sodass es aussah, als hätte er es auch benutzt. Danach setzte er sich auf die Bettkante und wartete auf den Zimmerservice mit dem Imbiss.
    Als es eine Viertelstunde später klopfte, guckte er durch den Türspion, schob die Waffe in den Hosenbund und kaschierte sie mit dem aus der Hose gezogenen Hemd. An der Tür nahm er das bestellte Sandwich nebst Mineralwasser entgegen, unterschrieb die Rechnung, spendierte ein ordentliches Trinkgeld und wartete, bis der Hotelpage gegangen war. Danach stellte er das Tablett auf den Schreibtisch und wickelte das mit Schinken und Käse belegte Brot in Zeitungspapier. Er hebelte den Kronkorken von der Mineralwasserflasche, goss den halben Inhalt in ein Glas, nahm einen Schluck, dann noch einen und tupfte sich mit der Serviette die Lippen ab.
    Hinterher wählte er aufs Geratewohl eine Telefonnummer und sagte, während er noch die Rufzeichen hörte: “David Yalom hier. Ich bin die nächsten anderthalb Stunden auf meinem Hotelzimmer. Falls du raufkommen willst – ich habe zu tun. Ich gehe nicht eher, als bis du dich gemeldet hast.”
    Zuletzt stieg er noch von seinem dunkelblauen Sportsakko auf einen hellbraunen Anorak um, schob einmal sämtliche Kleiderbügel im Kleiderschrank hin und her, packte seinen grünen Rucksack in eine rot-schwarze Sporttasche, warf auch das eingewickelte Sandwich hinein, zog den Reißverschluss zu und sah sich aufmerksam im Zimmer um. Ganz langsam machte er dann die Tür auf und guckte in den Gang. Er war leer.
    Statt den Aufzug zu nehmen, benutzte er diesmal die Treppe, jedoch nur bis zum zehnten Stock. Von da fuhr er mit dem Lift hinunter ins Untergeschoss, von wo man direkt auf eine belebte U-Bahn-Haltestelle trat. Hinauffahren zu einer der Zimmeretagen konnte man nur mit Lift per Schlüsselkarte, aber hinunter und zum Bahnsteig ging es auch ohne – eine Annehmlichkeit für die vielen Geschäftsleute, die das Hotel frequentierten.
    Wie üblich war an der Haltestelle viel Betrieb, und David tauchte in der Menge unter. Nicht ausgeschlossen, dass Abduls Leute ihn nicht nur beobachteten, sondern auch abhörten. Der fingierte Telefonanruf von vorhin sowie das bestellte Essen hatten ihm genügend Zeit verschafft, unbemerkt aus dem Hotel zu gelangen.
    Die Fahrt mit der U-Bahn machte es erforderlich, dass er an der im Jugendstil erbauten Haltestelle Karlsplatz umsteigen musste. Von dort aus ging es weiter bis zum Schwedenplatz am anderen Ende der Stadt, ein Bezirk mit lauter kleinen Musik-Clubs, preiswerten Boutiquen und direkt an der Donau gelegenen Lokalen, in denen es immer von jungen Leuten und Touristen wimmelte.
    Zwanzig Minuten nach Verlassen des großen Fünf-Sterne-Hotels, in dem er nach der Ankunft nie mehr als zwei Stunden an einem Stück zugebracht hatte, betrat David eine etwas heruntergekommene Pension. Der Geschäftsführer, der in durchlöcherten Jeans und einem

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