Wigges Tauschrausch
H awaii – ich komme!
M ars, Pluto oder Jupiter waren als Kind meine stetigen Begleiter, und nichts faszinierte mich so sehr wie das Weltall. Ich erinnere mich noch daran, dass ich mir Weihnachten 1984 alle Sachbücher wünschte, die irgendetwas mit der Welt der Sterne zu tun hatten, und natürlich die aktuellste Spielzeug-Raumstation mit Mondgleiter und intergalaktischem Teleskop-Aufsatz. Ein Jahr später war es ein richtiges Teleskop. Eine 32-fache Vergrößerung und ein zusätzliches Suchrohr sowie verschiedene Sonnenfilter steigerten die Vorfreude darauf, den Sternen endlich ganz nahe sein zu können, ins Unermessliche. Aber noch bevor der Osterhase im nächsten Jahr vorbeikam, war das Teleskop schon im Wohnzimmerschrank verschwunden. Der Schreck darüber, dass der Nachbar, den ich mir in 32-facher Vergrößerung herangezoomt hatte, mir wild winkend zu verstehen gab, dass er sich sein abendliches Fernsehprogramm lieber alleine anschauen wollte, saß mir noch immer in den Knochen.
So konzentrierte ich mich wohl oder übel auf das, was unser eigener Planet uns zu bieten hat. Ich widmete mich den entlegenen Orten auf der Erde – zunächst in meinem Schulatlas. Und der entlegendste Ort, den ich finden konnte, war ganz ohne Zweifel die Inselgruppe Hawaii, die fortan zu meinem neuen Traumziel deklariert wurde.Weiße Strände, die von tief hängenden Palmen geküsst werden, tropische Berggipfel, glasklares Wasser … Während meiner Pubertät gesellte sich zu diesen Vorzügen die Vorstellung von den blumenbehangenen, tanzenden Hawaii-Mädchen. Was lag da näher als der Gedanke, irgendwann einmal an diesem Ort ein eigenes Haus zu besitzen – ein Traumhaus auf Hawaii!
Die Front meines Kleiderschrankes zierte seitdem eine Hawaii-Tapete, die ich leider teilen musste, weil ich die Schranktüren auch weiterhin öffnen wollte. Die Seiten dieses Schrankes wurden nach und nach mit Hawaii-Postkarten sowie Landkarten der Inselgruppe aufgewertet und natürlich mit einem Auto-Kennzeichen des US -Bundesstaates mit dem berühmten Regenbogen.
Leider blieb das Traumhaus auf Hawaii bis heute ein Traum, doch die Reiselust habe ich ausleben können. Es ist nicht beim Betrachten des Schulatlasses geblieben, inzwischen habe ich siebzig Länder bereist und meine Leidenschaft zum Beruf gemacht, indem ich über diese Reisen berichte.
Ich bin als neugieriger Besucher bei den Yanomami-Indianern im Amazonas vorbeigeschneit und habe mich auf der Jagd von ihnen auslachen lassen, als ich einen Ameisenbär aus nächster Nähe mit dem Schrotgewehr verfehlte. Ich durfte bizarre Kapselhotels in Tokio besuchen und habe mit Sumo-Ringern gekämpft. Auf dem spanischen Tomatina-Festival habe ich mich im weißen Anzug mit Tomaten bewerfen lassen. Die Antarktis habe ich auf einem Expeditionsschiff bereist, und die Queen hat mich schief angeschaut, als ich zum 50. Thronjubiläum im Buckingham-Palast als Prinz Henry VII . verkleidet auftrat (kein Scherz).
Aber ein Haus auf Hawaii ist bei alledem nie herausgesprungen. Was also tun? Soll ich nach Hawaii reisen und dort in einer Millionärin-sucht-Mann-Show bestehen? Oder würde eines Tages in einer Boulevardzeitung zu lesen sein: »Deutscher Reisereporter nach versuchter Hausbesetzung auf Hawaii hinter Gittern!«? Nein, unmöglich!
Ich erinnerte mich daran, dass ich während meiner letzten Reise durch Nordamerika von einem jungen Kanadier gehört hatte, dem es gelungen war, sich bei einer Online-Tauschbörse innerhalb eines Jahres von einer Büroklammer zu einem Haus hochzutauschen. Eine Büroklammer als Anfangseinsatz für ein Haus – nicht schlecht! Auch, wenn das Haus sich nicht im schönen Hawaii befand.
Leider bin ich nicht besonders gut darin, solche Online-Deals abzuschließen (ich habe noch nie eine Versteigerung bei E-Bay gewonnen), und leider habe ich auch kein ganzes Jahr Zeit. Aber die Idee fasziniert mich dennoch. Warum also nicht das tun, was ich schon seit Jahren mache, die Welt bereisen. Nur würde es diesmal ums Tauschen gehen. Ich würde mir sechs Monate Zeit geben, die Welt bereisen und dabei tauschen, tauschen, tauschen. Bei dieser Gelegenheit könnte ich unglaublich viel über das Tauschen in den unterschiedlichsten Kulturen lernen – spannend! Und ganz nebenbei würde ich Schritt für Schritt meinem Traum immer näher kommen, um am Ende die Tür zu meinem Traumhaus auf Hawaii aufschließen zu können. Klingt doch ganz einfach, oder nicht?
Überhaupt nicht einfach. Aber ich hatte
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