Der beiden Quitzows letzte Fahrten
auf Erden und blickte ihn, ängstlich die Flügel schlagend, starr mit den großen, nächtlichen Augen an. Da bemächtigte sich Grausen und Entsetzen der frommen Versammlung, und Alle, Johann an der Spitze, stürzten nach der Thür, um der Unglück weissagenden Erscheinung zu entgehen. Zwar wurde der Vogel später gefangen und erschlagen, und dadurch der Beweis geliefert, daß man es nicht mit einem überirdischen Wesen zu thun habe, aber das Vorkommniß gilt doch als ein böses Zeichen und wird auf das Schicksal des Papstes beim Concile zu Costnitz gedeutet.«
»Hängt diese Mähr mit Eurem Auftrage zusammen?«
»Vielleicht. Die Herren Prälaten sind in Rom mit dem Bemerken auseinander gegangen, daß der heilige Geist unter ihnen in einer seltsamen Gestalt erschienen sei, und wenn die Fürsten der Kirche sich einer solchen Gotteslästerung schuldig machen, so ist es kein Wunder, wenn die weltlichen Herren und Leute es müde werden, einen Mann an der Spitze der Christenheit zu sehen, von dem man nichts als Laster und Verbrechen zu berichten hat. Der König Ladislaus von Neapel, von ihm in den Bann gethan, ist unvermuthet mit seinen Schaaren vor Rom erschienen, hat die Stadt erobert und den Papst vertrieben, welcher sich nach Oberitalien flüchtete. Dort hat ihn der Kaiser gezwungen, eine allgemeine Kirchenversammlung nach Costnitz zu berufen, wo die vorhandenen Wirren geschlichtet und geordnet werden sollen. Und dort – dort,« fuhr er mit sinkender Stimme fort, »will der rothe Adler der Marken über ihn herfallen und seine starken Fänge um ihn schlagen, um der Welt zu zeigen, daß der Schuhu nicht falsch geweissagt habe!«
Es entstand eine Pause, während welcher die beiden Männer sich ernsten Gedanken hingaben. Endlich nahm Henning wieder das Wort:
»Seid Ihr nicht erfüllt von Bewunderung über die Größe und Kühnheit dieses Gedankens? Ein kleines, unscheinbares Burggräflein kommt herbei, wirft sich binnen wenigen Wochen den trotzigen, kraftvollen und weit überlegenen Adel des Landes zu Füßen, und – noch ist die Ruhe und der Frieden nicht hergestellt, noch gährt es und bebt der Boden auf allen Seiten, die Grenzen sind bedroht, die Polen, Pommern, Mecklenburger, die Herren von Wenden, die Herzöge zu Sachsen erheben drohend die Schwerter – da wagt es das Burggräflein, den mächtigsten Mann der Christenheit, den Beherrscher von Millionen und Abermillionen Gewissen, den Stellvertreter Gottes auf Erden beim Schopfe zu nehmen, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen vor den Augen des gesammten Volkes!«
Die Augen des Sprechers leuchteten und die Röthe der Begeisterung lag auf seinen Wangen.
»Seit es Weltgeschichte giebt,« fuhr er fort, »ist es zum ersten Male, daß der Norden zum Bewußtsein seiner Kräfte kommt und an der Sendung zu arbeiten beginnt, die ihm von dem Herrn der Welten anvertraut worden ist. Finsterniß bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker, aber es wird, es muß der Schleier reißen, welcher Jahrhunderte dazu diente, die Wahrheit zu erfüllen, und nicht ein Kaiser oder König, nicht ein Gewaltiger unter den Kronenträgern ist es, welcher den ersten Riß thun wird, sondern der kleine Zollern, der sich bis heut nicht anders nennen darf als einen Statthalter, einen Diener des Schwächling Sigismund. Und wer sind die Männer, die er sich zu diesem verwegenen Vorhaben ausersehen hat? Niemand nennt sie im großen Reiche, kaum daß man sie im eigenen Lande kennt; der Eine saß über seinen Büchern, der Andere jagte den Hirsch in seinen Wäldern; Größeres thaten sie nicht. Der Eine hat keinen Namen, der Andere kaum – einen Bismarck, nur Wenige haben ihn bisher gehört – Beide aber werden ohne Wanken und mit treuen Kräften an ihrem Werke schaffen – hier meine Hand!«
Er streckte Suteminn die Rechte entgegen, in welche dieser mit kräftigem Schlage die seinige legte.
»Ihr habt gleichen Auftrag wie ich vom Fürsten bekommen?« frug er.
»Den Auftrag, an der gleichen Aufgabe zu arbeiten, ja, aber nicht mit den gleichen Werkzeugen. Ihr, Ritter, sollt das scharfe, schneidige Schwert sein, ich der Hüter, welcher dafür sorgt, daß Euch das Hochwild nicht entgehe. Und nun laßt Euch den Plan mittheilen, welche Se. Gnaden in dieser hochwichtigen Angelegenheit gefaßt haben!«
Lange saßen die beiden Männer, bald flüsternd, bald in lauten, energischen oder begeisterten Ausrufungen sich ergehend, beisammen; das Licht brannte trübe und immer trüber, und schon warf der
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