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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Titel: Der beiden Quitzows letzte Fahrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zurück zu kehren, damit er nicht von ihnen bemerkt werde. Das belauschte Gespräch hatte ihn überzeugt, daß er auf Neumühl nicht mehr sicher sei, denn es kam ihm ganz so vor, als könne er dem Knechte nicht trauen, und so war es ihm willkommen, daß Werner von Holzendorf am andern Morgen bei ihm vorsprach, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Er berichtete ihm von der belauschten Unterredung und sagte ihm auch seinen Dank für die Treue, welche er ihm gegen das Ansinnen des Markgrafen bewiesen.
    »Ihr dürft mir derowegen gar nicht danken, Herr Dietrich,« antwortete ihm Werner, »da Ihr ganz dasselbe auch für mich gethan hättet, wenn Ihr an meiner Stelle gewesen wäret; und was die Folgen meines Schnellzornes betrifft, so müssen wir abwarten, was der Markgraf zu thun für angemessen hält; aber wenn ich mit ihm zusammentreffe, so werfe ich ihm sicher meinen Handschuh hin für die Beleidigung, welche in der Zumuthung gelegen hat, an meinem besten Freunde zum Schurken und Verräther zu werden. Der Knecht, von dem Ihr spracht, ist mir nicht sicher; aber ich darf ihn nicht fortjagen, weil er sonst auf Rachegedanken gerathen würde; dagegen werde ich ihn gut bewachen und Euch an einen andern Ort bringen. Macht Euch fertig, mit mir fortzugehen!«
    Er begab sich zu dem Voigte, dem er die Mittheilung machte, daß der Knecht nun fast genesen sei und Neumühl wieder verlassen könne, er möge ihm daher ein Pferd geben und seine Wege ziehen lassen. Sodann ritt er fort und wartete im Walde, bis Dietrich von Quitzow ihm nachkam. Dietrich frug, wohin der Weg sie führen werde.
    »Nach Grabsdorf,« antwortete Werner. »Ihr könnt jetzt unmöglich unentdeckt aus dem Lande fliehen; man stellt Euch überall nach und lauert auf allen Wegen. Aber in Neumühl konntet Ihr unter diesen Umständen auch nicht bleiben, und da ist mir ein guter Gedanke gekommen. In Grabsdorf nämlich wohnen ein paar meiner alten Knechte mit ihren Weibern; sie haben von mir einige Häuser, und ich kann mich auf ihre Treue verlassen. Dahin bringe ich Euch. Sie sollen Euch hegen und pflegen, und dort seid Ihr sicher, so lang Ihr Euch nicht zu erkennen gebt.«
    Das Dorf Grabsdorf ist jetzt nicht mehr vorhanden und lag östlich von der Havel an Stelle des jetzigen Dorfes Friedrichsthal. Dietrich erhielt in einem Bauernhause eine Stube, und es wurde mit dem Besitzer des Hauses, Werners ehemaligem Knechte, die Verabredung getroffen, ihn für einen Verwandten auszugeben, den er zu sich genommen habe, um sich von ihm in der Wirthschaft helfen zu lassen. Zu diesem Letzteren erbot sich der sonst so stolze Ritter aus freiem Antriebe, um nicht ferner von der Langeweile gepeinigt zu werden, wie er sie während der letzten Tage empfunden hatte. Er wurde von den Leuten als ein Landmann ausstaffirt und machte sich nach Belieben und Gutdünken in der kleinen Wirthschaft nützlich.
    So verging der Februar vollends und der März brach an, welcher bessere Tage und eine Witterung brachte, welche erlaubte, die Feldarbeit vorzunehmen. Auch Dietrich ging hinaus, um mit Hacke und Spaten zu arbeiten, und es waren gar eigenthümliche Gedanken und Gefühle, welche sich bei dieser ungewohnten und erniedrigenden Beschäftigung in seinem Innern geltend machten.
    Der gewaltige Ritter, welcher fürstliche Macht und fürstlichen Anhang besessen, vor dem die Marken gezittert hatten und dessen Ruf weit über die Grenze des Landes hinausgedrungen war, er stand hier auf dem Felde, mit den Attributen der Leibeigenschaft in der Hand; er bauete den Boden, welcher einem Andern Zins zu bringen hatte, und mußte noch der Freundschaft dafür danken, welche ihm die Gestalt eines armseligen Knechtes gegeben hatte, um ihn gegen die Verfolgungen in Schutz zu nehmen. Wie oft hatte er nicht auf den Zinnen seiner Burgen gestanden und mit stolzen Blicken das Land überschaut, welches ihm unterthan war und unter den Hufen seiner streitbaren Rosse erzitterte; wie oft war seine Stimme durch die Räume der Schlösser oder im wilden Kampfgewühle erschollen und Hunderte hatten ihr Gehorsam geleistet, die da wußten, daß ihr Wohl und Wehe, ihr Hab und Gut, ja ihr Leben von seinem Wort und Willen abhängig sei! Und jetzt? Der Boden, auf welchem er stand, war ein fremder; kein Mensch achtete seiner Rede, sein Ruf war verklungen, sein Name geächtet, sein Glück vernichtet, sein Reichthum zerronnen und seine Macht tief in den Staub getreten. Ob wohl aus ihm ein Erstehen war?
    In diese Gedanken versunken,

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